In Melanie Zimmermanns erster Festivalausgabe ist der Name Programm: Das Festival feiert verschiedene Perspektiven und Realitäten im Tanz und legt damit einen Fokus auf echte Körper, echte Geschichten und eine echte Leidenschaft für den Tanz:
„Ich freue mich sehr auf die eingeladenen Künstler*innen, die so unterschiedlich auf den Tanz blicken, ihn in verschiedenen Kontexten entwickeln und erleben. Alle Künstler*innen sind Selbstvertreter*innen ihrer Stile und haben dringliche Anliegen, die sie mit den Zuschauer*innen teilen wollen. Im internationalen Kontext darf natürlich auch die Hannoversche Perspektive nicht fehlen. Deshalb arbeiten wir unter anderem mit lokalen Tanzschaffenden zusammen, um den Weg für zukünftige Zusammenarbeiten zu bereiten. Ein Beispiel hierfür ist das Eröffnungsstück Apaches des französischen Choreografen Saïdo Lehlouh, der 15 Tänzer*innen aus Hannover und Niedersachsen aus über 180 Bewerbungen gecastet hat – ein Andrang, an dem man beobachten kann, wie wichtig Saïdos Arbeit für die Tanzszene ist, aber auch, wie viele Menschen hier in Hannover arbeiten wollen. Aufmerksamkeit für den Tanz und Verbindungen innerhalb Hannovers und darüber hinaus wollen wir fördern. Tanz ist nie nur lokal. Um zu wachsen, muss er mit internationalen Tanzkünstler*innen und interdisziplinär verknüpft werden. Das liegt in seiner Natur. Ich kann es kaum erwarten, dass sich alle im Januar hier in Hannover treffen, um mit uns das Tanzjahr 2024 zu beginnen.“
Die Festivalvorstellungen finden im Schauspielhaus, im Ballhof, auf der Cumberlandschen Bühne sowie in den Räumlichkeiten des Kunstvereins Hannover statt. Eingeladen sind fünf Bühnenproduktionen, die fünf verschiedene Tanzgenres zeigen – darunter der größte Kiki Ball, der bislang in Hannover stattgefunden hat. Zum Programm gehören außerdem Workshops, Gespräche und Partys sowie das neue Förderprogramm FOR REAL.
Das Festivalzentrum befindet sich im Foyer des Ballhof Eins. Dort laden Partys und warme Getränke zum Verweilen an kalten Wintertagen ein. Die Bildende Künstlerin und Tattoo-Artist Franziska Nast stellt im Foyer einen Teil ihrer Werke aus. Interessent*innen haben außerdem die Möglichkeit, Tattoo-Termine mit Nast zu vereinbaren und sich so ein bleibendes Kunstwerk unter die Haut stechen zu lassen.
Die Produktionen im Detail:
Hip-Hop-Performance mit lokalen Tänzer*innen zur Eröffnung
Der Tänzer und Choreograf Saïdo Lehlouh eröffnet das Festival im Schauspielhaus mit einer exklusiv für Hannover entwickelten Version seiner erfolgreich tourenden Performance Apaches. Deren Konzept beruht auf der Zusammenarbeit und dem Wissenstransfer von französischen und lokalen Tänzer*innen sowie Performer*innen aus der Stadt, in der das Stück zuvor gastiert hat. Einem Aufruf über Social Media folgten über 180 Bewerbungen für dieses Projekt. Ausgewählt wurden nun 15 Tänzer*innen aus den verschiedenen Tanzstilen der Black Dance Culture.
Glamour und Energie beim ersten Kiki Ball in Hannover
Ein weiteres Highlight ist der Cosmic Nights Kiki Ball, zu dem Parisa Juicy und Amowia Wang aus den internationalen Houses of Vera Wang & Juicy Couture gemeinsam mit der Hannoverschen Voguing-Szene im Ballhof Eins einladen. Es ist der größte Kiki Ball seiner Art, der jemals in Hannover stattgefunden hat, und eine Hommage an die Ballroom-Kultur. Diese wurde Ende der 1960er-Jahre in New York insbesondere durch und für Schwarze und lateinamerikanische Transfrauen etabliert. Ballroom ist eine Kultur, die auf dem künstlerischen Austausch, dem Wettkampf der Gemeinschaft und dem Prinzip der Selbstermächtigung basiert. Für den Cosmic Nights Kiki Ball reisen aus ganz Europa Mitglieder der Szene an, um in verschiedenen Kategorien wie etwa „Old Way“, „Vogue Femme“ oder „Runway“ gegeneinander anzutreten.
Sinnliches Duett von Marga Alfeirão
Marga Alfeirãos intimes Duo Lounge ist eine meisterhafte Choreografie lesbischer Sinnlichkeit und Intimität. Zwei Performerinnen erkunden Zustände aktiver und passiver Erholung, wobei sie das Publikum spielerisch willkommen heißen. Das Wort Lounge ist sowohl Verb als auch Substantiv: eine Handlung, bei der man entspannt sitzt oder liegt, oder ein öffentlicher Raum, in dem man sich entspannen kann. Es sind die Gegensätze dieses Duetts, wie Bewegung und Ruhe, Geben und Nehmen, Privatheit und Öffentlichkeit, die das Publikum in den Bann ziehen.
Eine tanzende Skulptur und verbotene Tänze auf der Cumberlandschen Bühne
Der Tänzer und Choreograf Mandeep Raikhy beschäftigt sich in Hallucinations of an Artifact mit einem lange währenden politischen Konflikt zwischen Indien und Pakistan: Er erweckt die etwa 4500 Jahre alte Bronzeskulptur des „Dancing Girl“ zum Leben und zeigt, wie sie mit traditionellen indischen Tanzformen, wie etwa dem Odissi, den Blicken und Interpretationen der heutigen Welt begegnet.
In TARAB beschäftigt sich die Choreografin und Tänzerin Ulduz Ahmadzadeh mit den wenig erforschten und mancherorts verbotenen Tänzen des vorislamischen westasiatischen Kulturerbes. Im Verlauf von eurokolonialer und islamischer Übersetzungen des Materials wurden Frauen darin zur sexualisierten Unterhaltungstänzerin degradiert oder ihnen wurde das Tanzen verboten. Sieben Tänzer*innen lassen das jahrtausendealte Bewegungsmaterial in einen Dialog mit dem zeitgenössischen Tanz treten. Teil des Casts ist der international erfolgreiche Percussion-Virtuose Mohammad Reza Mortazavi, der unter anderem in der Elbphilharmonie und dem Opernhaus Sydney spielt.
Neues Förderprogramm: FOR REAL
Das neue Festivalformat FOR REAL dient der Vernetzung von lokalen Tanz- und Kunstschaffenden. Durch Begegnungen von Choreograf*innen mit Akteur*innen innerhalb und außerhalb der Tanzszene, werden das Verständnis von Tanz und seinen Möglichkeiten in Frage gestellt und gemeinsam neue Formen entwickelt. In der ersten Ausgabe treffen der zeitgenössische Choreograf Tiago Manquinho und die Hip-Hopperin Manuela Bolegue aufeinander, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Tanzstile auszuloten. Nach einer gemeinsamen Probenphase präsentieren die beiden die Ergebnisse ihrer Recherche in Form einer Choreografie im Kunstverein Hannover – einem Ort, der unter der Intendanz von Christoph Platz-Gallus für Neugierde, Internationalität und Offenheit steht und im Rahmen des Festivals erstmalig mit Tanzschaffenden kooperiert.
Angebote für die Barrierefreiheit
Um das Real Dance Festival für alle Besucher*innen zugänglicher zu machen, hat das Festivalteam verschiedene Angebote entwickelt:
Audiodeskription und Tastführung für Publikum mit Sehbehinderung
Relaxed Performances
Sitzsäcke als alternative Sitzmöglichkeiten
Begleitservice in Kooperation mit dem Kulturschlüssel Niedersachsen
Einführungen in Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Darüber hinaus lädt REAL DANCE in Kooperation mit der Universität Hildesheim Tanzschaffende aus der Region zu einem Workshop zum Thema Audiodeskription ein, um das darin erlernte Wissen in eigene Performances einfließen zu lassen oder für die nächsten Ausgaben des Festivals selbst Audiodeskriptionen anbieten zu können.
Hannovers neues Tanzfestival hat endlich einen Namen: Wie die künstlerische Leiterin Melanie Zimmermann heute bekanntgegeben hat, wird das Festival unter dem Namen REAL DANCE ab Januar 2024 jährlich im Staatstheater Hannover stattfinden. Das Real Dance Festival tritt damit die Nachfolge vom Festival TANZtheater INTERNATIONAL an, das im Herbst 2022 nach 38 Jahren unter der Leitung von Christiane Winter zu Ende ging. Hauptförderer des neuen Tanzfestivals sind die Landeshauptstadt Hannover, die Stiftung Niedersachsen und das Land Niedersachen.
Das ganze Programm gibt es online auf www.realdance.de
Das Real Dance Festival 2024 ist eine Veranstaltung der Niedersächsischen Staatstheater Hannover GmbH und wird gefördert durch die Landeshauptstadt Hannover, die Stiftung Niedersachsen und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur.