Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Ghetto" von Joshua Sobol. Stadttheater Bremerhaven"Ghetto" von Joshua Sobol. Stadttheater Bremerhaven"Ghetto" von Joshua...

"Ghetto" von Joshua Sobol. Stadttheater Bremerhaven

Premiere am 5. September 2009 / 19.30 Uhr / Großes Haus

 

Das jüdische Ghetto von Wilna von 1942 gab diesem Stück seinen Namen. Es beruht auf den Tagebucheintragungen von Hermann Kruk, dem damaligen Direktor der Ghetto-Bibliothek:

Jakob Gens, der Chef der jüdischen Ghetto-Polizei, will durch Kollaboration mit den Deutschen jüdisches Leben retten – sein Motto: „Arbeiten, um zu überleben”. Die Juden übernehmen wichtige Funktionen in kriegsnotwendigen Betrieben – die Juden „machen mit”. Auch muss Gens im Auftrag des Nazi-Offiziers Kittel Liquidationsaufträge durchführen - Juden töten Juden. Gens rechtfertigt sich: „Damit ein paar Juden gerettet wurden, war ich gezwungen, andere mit meinen eigenen Händen dem Tod auszuliefern. Um ein paar Juden ihr reines Gewissen zu erhalten, blieb mir fast nichts anderes übrig, als in den Dreck zu fassen. Ich, Jakob Gens, konnte mir ein reines Gewissen nicht leisten”.

Um die Moral und den Lebenswillen der Juden im Ghetto zu stärken, gründet Gens ein Theater. Das Stück wird immer wieder von Songs, Tänzen und revuehaften Szenen aus dem Ghetto-Theater unterbrochen...

 

Ghetto von Joshua Sobol ist das erste Stück, das ich über den Massenmord an den Juden Europas gesehen habe, das von wahrem intellektuellen und künstlerischem Wert ist. Hier gibt es weder Idealisierungen noch Diabolisierungen. Hier werden Menschen aller Charaktere und aller politischen Anschauungen vorgestellt, die sich in einer Höllensituation befinden, in der jeder gemäß seinem Charakter und der ihn prägenden Ideologie reagiert. Es ist ein „realistisches” Theaterstück, obgleich der Stil surrealistisch und in starkem Ausmaß symbolisch ist. Der Surrealismus entblößt das wahrhafte, das „reale” Gesicht einer alptraumhaften Wirklichkeit. Die tiefste Bedeutung, soweit ich es verstanden habe, liegt in dem teilweisen Erfolg des Nazis, die Juden nicht nur physisch zu vernichten, sondern darüber hinaus das zu vernichten, was sie als Judentum verstanden haben – den Geist der „Schwäche”, die „Moral der Sklaven”, Begriffe einer universalen Menschenliebe und Brüderlichkeit (und für diesen Zweck ist es nicht wichtig, ob dies die wahren Eigenschaften des Judentums sind)… (Boaz Evron)

 

Inszenierung: Wolfgang Hofmann;

Bühne: Lars Peter;

Kostüme: Beatrice von Bomhard

 

Ensemble: Sonja Dengler (Chaja), Christine Dorner (Lina), Heike Eulitz (Umah), Hella-Birgit Mascus (Sarah), Laina Schwarz (Lea); Sebastian Brummer (Jankel), Stephan Clemens (Gerstein), Klaus Ebert (Dessler), Guido Fuchs (Weiskopf), Patrick Heppt (Srulik), Kay Krause (Kruk), Günter Pirow (Abraham), Wolfgang Scheiner (Gens), Sebastian Songin (Kittel). Die Musiker: Susanne Sasse (Akkordeon), Martin Kratzsch (Klarinette), Ralf Stahn (Kontrabass)

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 12 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

NICHT AUF DEN LITURGISCHEN BEREICH BESCHRÄNKT --- Bruckners e-Moll-Messe und Motetten bei BR Klassik

Anders als die frühe d-Moll-Messe blieb die 1866 in Linz komponierte e-Moll-Messe nicht auf den liturgischen Bereich beschränkt. Die alten Kirchentonarten stehen bei der Messe in e-Moll von Anton…

Von: ALEXANDER WALTHER

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑