Alt und gebrechlich kehrt er nach langer Abstinenz in den Kreis seiner Bekannten zurück, um alte Rechnungen zu begleichen, um die Verstrickungen aus Verbrechen, Geheimnissen und Schuld aufzulösen - um Tabula rasa zu machen für die Jugend. Doch vielleicht ist es dafür zu spät? Und mit welchem Recht mischt er sich ein?
Hummel ist ein Patriarch. Steinreich und unerbittlich hält er alle Fäden in der Hand. Seinem Einfluss entgeht nichts. Seinem Blick auch nicht. Er wird auf den jungen Studenten Arkenholz aufmerksam, der bei einem Hauseinsturz einem Mädchen das Leben rettete. Und Hummel versucht, Arkenholz in seine Gewalt zu kriegen. Er will ihn verkuppeln mit einem schönen jungen Mädchen, er will ihn einführen in den Salon ihrer Eltern und ihn platzieren in ihrem Leben. Das Haus, in dem sie alle wohnen, gehört Hummel schon, nun will er auch die Leben seiner Bewohner besitzen und deren Zukunft bestimmen. Aber Hummel kann sich zwar die Gegenwart kaufen – nicht jedoch die Vergangenheit.
Eine faszinierend dichte Atmosphäre aus Andeutungen und Anspielungen prägt August Strindbergs „Gespenstersonate“. 1907 entstanden auf dem Höhepunkt der zwei großen künstlerischen Strömungen der vorletzten Jahrhundertwende, Symbolismus und Expressionismus, versammelt das Stück eine ganze Reihe von außergewöhnlichen Figuren, die so in der Weltdramatik ohne Vergleich geblieben sind. Amalia, die alte Frau, die so schön war, dass eine Marmorsäule ihr nachgebildet wurde, und die nun als Mumie im Schrank lebt, oder Adele, das Hyazinthenmädchen, sind Teil eines Dramas, in dem unsichtbare Erscheinungen und rätselhafte Geschehnisse Alltag sind, als wären sie direkt einer Fernsehserie wie „Twin Peaks“ von David Lynch oder einem Vampirfilm von Tim Burton entsprungen: Ein Haus voller surrealer Überraschungen um eine Versammlung von scheinbar Untoten, die der Ballast der Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen lässt - eine Familienaufstellung, in die niemand hineingeraten möchte, aber wohlvertraut scheint.
Strindbergs parabelhaftes Kammerspiel, ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts, ist nun erstmals auf der Bühne des Chemnitzer Schauspiels zu sehen.
Aus dem Schwedischen von Heiner Gimmler (Neuübersetzung 2012)
Regie: Eva Lange
Bühne und Kostüme: Gabriela Neubauer
mit: Bernd-Michael Baier (Der Alte - Direktor Hummel), Ellen Hellwig (Die Mumie – Frau des Oberst), Karl Sebastian Liebich (Der Student – Arkenholz), Caroline Junghanns (Tochter – das Fräulein), Dirk Lange (Diener Johannson), Hartmut Neuber (Diener Bengtsson), Tilo Krügel (Der Oberst), Florentine Krafft* (Das Milchmädchen), Susanne Stein (Die Köchin)
*Studentin der Hochschule der Künste Zürich