Gemeint sind Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, Maria Stuart und Elisabeth I. von England – Frauen, die das Schicksal und vor allem der Kampf um die Macht verbindet.
Doch während die Königinnen diese rechtmäßig besitzen, gebrauchen die mystifizierten Ikonen des bewaffneten Kampfs im Deutschland der 70er Jahre Gewalt, um Macht zu erringen. Sie er-heben sich selbst zu Herrscherinnen und beanspruchen für sich den Thron, um den „immer ein Verdrängungswettbewerb herrscht“. Auf der Projektionsfläche des Schillerschen Dramas ver-handelt Jelinek diesen weiblichen Machtkampf, das Verhältnis der Möchtegern-Königinnen in-nerhalb der Terrorgruppe RAF, ihre konkurrenzbelastete Beziehung untereinander, zu Andreas Baader und zu ihren leiblichen Kindern, die sie einst für den bewaffneten Kampf und ein Leben im Untergrund verlassen hatten. Als Un-Tote einer Zeit, in der der ideologische Kampf auch Tote in Kauf nahm, denn die revolutionäre Praxis duldet keine Skrupel, dauerdiskutieren die selbster-nannten Königinnen über ihre Ideologien und den Umgang damit, über ihre Wege in den Unter-grund, über Schuld und Unschuld, Reue und Skrupellosigkeit und den Hass „gegen wen und was auch immer“. Nur in einem Punkt sind sie sich einig: das „System“ ist zu bekämpfen, der kämpfende Einzelne unwichtig. Er geht vor die Hunde. So letztendlich auch Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Ursprünglich angetreten, das unterdrückte Individuum zu befreien, verfallen sie selbst den patriarchalisch vorgegebenen Strukturen auf Kosten der eigenen Bedürfnisse.
In ihrem Königinnendrama konfrontiert Jelinek zwei scheinbar nicht zueinander passende Sprachstile: die Sprache Schillers mit derjenigen der Originaltexte der RAF und verzerrt so die Wirklichkeit zur Kenntlichkeit. Dabei geht es ihr nicht nur um „die Spielformen weiblicher Herr-schaft, die am Ende alle in den Tod führen“ (Jelinek), sondern auch um eine sarkastische Ab-rechnung mit einer geschichtlichen Epoche der Bundesrepublik, die bei den Opfern wie bei den Tätern Wunden aufgerissen hat, die noch heute nachwirken.
Regie: Crescentia Dünßer | Bühne und Video: Otto Kukla | Kostüme: Annie Lenk | Musik: Nina Wurman
Mit: Anja Lechle, Annika Martens, Lisa Schlegel, Hanna Schwarzrock (Cello), Teresa Trauth, Nina Wurman (Bass und Gesang) – Josef Ondruj (Bratsche), Gunnar Schmidt, Timo Tank, André Wagner
Weitere Vorstellungen: 12.10., 13.10. und 19.10.07