Sören Kiergegaard hat aus dieser Figur existenzphilosophisch das Urbild des Konflikts zwischen erotischem Begehren und ethischer Gesinnung abgeleitet, Mozart und sein Librettisten Lorenzo da Ponte ihr theatralisch eine zeitlos gültige Formung gegeben: ein scheinbar heiteres Drama, ein „dramma giocoso“ über die erotischen Eskapaden Don Giovannis, seine Flucht vor Donna Elvira und Donna Anna, sein erfolgloses Bemühen um das Mädchen Zerlina, seine gefährliche Kumpanei mit dem Diener Leporello und schließlich über das Gastmahl mit dem toten Komtur, der beim Gericht das letzte Gericht über ihn hält. Erst durch die unmittelbare Begegnung mit dem Tod wird die schier maßlose Selbstentfaltung des verzweifelt immer neuen Genuss suchenden Edelmanns grausam begrenzt.
Regisseur Carlos Wagner interessiert sich für die unterschiedlichen sozialen Lebensentwürfe der Figuren, wie ihre moralischen Konflikte. Er legt mit psychologischer Tiefenschärfe die Triebkräfte von menschlichen Beziehungen zwischen unendlicher Zärtlichkeit und gewaltvollem Besitzanspruch frei. Dabei sollen die in der musikali-schen Tiefe verborgenen Untertöne des Komischen und Tragischen lustvoll, poetisch und geistreich ausgespielt werden. Rifail Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried haben dafür einen Bühnenraum geschaffen, der durchsichtig bleibt für den sozialen und historischen Hintergrund der Geschichte, Einblicke bietet in das Helle oder Dunkle der menschlichen Seele und geheimnisvoll die sich überstürzenden Ereignissen in ruhigem Bewegungsfluss begleitet. Die außergewöhnlich phantasievollen Kostüme von Christof Cremer sind nicht nur modisches Abbild sozialer Attitüden sondern Spiegeln innere Gemütszustände, Hoffnungen, Verzweiflungen und momentane Glückserfahrungen wieder.
Nach den Mozart-Einstudierungen von „Die Entführung aus dem Serail“, „Così fan tutte“ und „Idomeneo“ sorgt General-musikdirektor Marc Piollet mit dem Sängerensemble und dem Orchester des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden für den vielfach beachteten „Wiesbadener Mozart-Klang“, der die Musik zum gestischen Nachvollzug eines dramatischen Geschehens macht. So kann aus Szene und Musik Musiktheater entstehen.
Carlos Wagner gehört zu den international erfolgreichsten Opernregisseuren seiner Generation. Er stammt aus Caracas/Venezuela und studierte in Barcelona und München sowie an der Guildhall School of Music and Drama in London. Zuletzt inszenierte er u.a. am Royal Opera House Covent Garden London „Powder Her Face“ von Thomas Adès, in Nantes/Angers „The Rake’s Progress von Igor Strawinksy“, Arnold Schönbergs Einakter „Die glückliche Hand“ an der Oper Leipzig sowie Giuseppe Verdis „Un ballo in maschera“ an der Opéra National de Bordeaux. Außerdem führ-ten ihn Regiearbeiten nach Wien, Barcelona, zur „Nationale Reisopera Enschede“, nach Antwerpen, Halle, Stuttgart und nach Montpellier, wo er die beiden Salome-Vertonungen von Richard Strauss und Antoine Mariotte inszeniert hat.
Libretto von Lorenzo da Ponte
In italienischer Sprache mit Übertiteln
Musikalische Leitung Marc Piollet
Inszenierung Carlos Wagner
Bühnenbild Rifail Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried
Kostüme Christof Cremer
Choreografie Tom Baird
Choreinstudierung Christof Hilmer
Dramaturgie Bodo Busse
Mit: Thomas J. Mayer/Thomas de Vries (Don Giovanni), Tatjana Plotnikova (Donna Anna), Jud Perry/Martin Homrich (Don Ottavio), Bernd Hofmann (Komtur), Aga Mikolaj (Donna Elvira), Hye-Soo Sonn (Leporello), Brett Carter/Reinhold Schreyer (Masetto), Ev-genia Grekova/Emma Pearson (Zerlina)
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden / Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Koproduktion mit der Opéra de Rouen Haute-Normandie, Frankreich
Weitere Vorstellungen:
Mi 10.9., So 14.9., Do 18.9., So 21.9., Sa 27.9., jeweils 19:30 Uhr, Großes Haus