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Digitales Brechtfestival in Augsburg mit Fokus auf Ruth Berlau, Margarete Steffin, Elisabeth Hauptmann, Helene Weigel u.a.

Festivalzeitraum: 26. Februar bis 7. März 2021

Das Augsburger Brechtfestival feiert Premiere im Netz und präsentiert einen digitalen Genre-Mix aus Performance, Lyrik, Musik, Film, Literatur, Hörspiel und Kino. Die rund 23 eigens für das Festival erarbeiteten Produktionen sind alle aus den Bedingungen dieser besonderen Zeit heraus entstanden. Wie denkt man innerhalb kürzester Zeit ein Festivalprogramm neu, das einmal für die Bühne geplant war? Und zwar ohne „nur“ Theateraufführungen abzufilmen? Vor dieser Aufgabe standen das Brechtfestivalteam und seine Künstlerinnen und Künstlern. Das Brechtfestival 2021 stellte sich der Herausforderung und experimentiert mit den Sprachen von Performance, Theater, Film und Musik in digitalen Formaten und mit eigenen Zugängen.

 

Copyright: Brechtfestival Augsburg

#digitalbrecht: Brechtfestival Augsburg 2021 erstmals online (brechtfestival.de)
Digitaler Genre-Mix in rund 23 Netzpremieren und Live-Talks
Experimente zwischen Performance, Theater, Film und Musik für digitale Formate
Schwerpunkt: Ruth Berlau, Margarete Steffin, Elisabeth Hauptmann, Helene Weigel u. a. Persönlichkeiten sowie literarische Frauenfiguren
Künstlerische Leitung: Jürgen Kuttner und Tom Kühnel

Mit: Corinna Harfouch, Charly Hübner, Lina Beckmann, Winnie Böwe, Stefanie Reinsperger, Hanna Hilsdorf, Suse Wächter, Frank Wolff, Sophie Rois u.a.
Staatstheater Augsburg ist Kooperationspartner, Beitrag: Heiner Müllers „Medeamaterial“ als Video (Regie: Kuttner und Kühnel)

Literaturprogramm: Luise Meier, Paula Irmschler, Lea Streisand, Marion Brasch, Sabine Kebir und Annett Gröschner
Musik: Bernadette La Hengst und Banda Internationale, Charlotte Brandi, Dakh Daughters u. a.
Poetry: Tanasgol Sabbagh, Pauline Füg, Florian Stein und Henrik Szanto
Projekte mit der Otto Falckenberg Schule München
Digitaler Festivalpass (12 Euro) ab Mitte Februar auf brechtfestival.de erhältlich

Denn diesmal ist nicht der Namensgeber des Festivals der Star, sondern die, die ihm zu seinem Ruhm verholfen haben. Frauen, die mit Brecht im Kollektiv gearbeitet haben, namentlich Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, Margarete

Steffin und Ruth Berlau sowie weitere Persönlichkeiten, Künstlerinnen und Frauenfiguren, die in Beziehung zu Brecht und seinem Werk stehen: Etwa Carola Neher, Marieluise Fleißer, Simone Weil und Inge Müller.

Von Brechts „Die Mutter“ und Margarte Steffins „Ich bin ein Dreck“ über Inge Müllers „Weiberbrigade“ zu Luise Meiers „MRX_Maschine“ ist das Brechtfestival 2021 eine Einladung, kreuz und quer durch den vieldimensionalen Raum der Künste, Biografien und Texte, der Literaturgeschichte und der Geschichtsschreibung zu surfen – buchstäblich. Vom Medea-Mythos bis hin zu Werken und Lesarten heutiger Künstlerinnen und Künstler gilt es, die vielen Facetten von Licht und Schatten rund um Bertolt Brecht mit Neugier zu entdecken.

#digitalbrecht: Überblick zum Festivalprogramm

„Heiner Müller hat die Schuhgröße, die Fußspuren Brechts auszufüllen und trotzdem eigene Wege zu gehen“, so die Festivalleiter Jürgen Kuttner und Tom Kühnel, die diesmal als Gäste des Kooperationspartners Staatstheater Augsburgmit einer Arbeit zum großen deutschsprachigen Theaterautor in Brechts Nachfolge im Programm vertreten sind. Aus Müllers postdramatischer Textcollage „Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten“ wird in der Augsburger Digitalfassung „Medeamaterial“, ein assoziatives, musikalisches und zitatreiches Video, in dessen Zentrum eine der berühmtesten Frauenfiguren der Literaturgeschichte steht.

Die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot hat sich im Lockdown wie von Geisterhand auf Augsburgs Häuserwände gebeamt. Was in der Entstehung schwer zu erklären ist, kommt im Ergebnis als umso lebendigere, einleuchtende Kampfansage an von Viren leergefegte Straßen daher. Im „Streifzug durch die Nacht“ lässt das Brechtfestival die Kurkapelle in einer Art ritueller Geisteraustreibung über die Häuserfassaden im nächtlichen Augsburg tanzen, orchestriert von Wiegenliedern von Brecht und Hölderlin, von Hanns Eisler und Kurt Weill, und sendet ein lautes Signal auf die Bildschirme da draußen: Wir kommen zurück! Regie und Kamera führte der Videokünstler Bert Zander.

Auf der Bühne ihres geschlossenen Theaters in Brandenburg erweckt Corinna Harfouch mit Brechts „Die Mutter“ und Simone Weils „Tagebuch einer Fabrikarbeiterin“ eine reale und eine fiktive Revolutionärin zum Leben. „Wir freuen uns, dass wir dieses sehr interessante Projekt machen dürfen und sind gespannt auf das Ergebnis“, so Harfouch, die für das Brechtfestival mit ihrem Sohn, dem Schauspieler und Musiker Johannes Gwisdek (u. a. Teil der Band „Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi“) und der Regisseurin Hannah Dörr zusammenarbeitet.

„Happy End“ – ein Songspiel von Elisabeth Hauptmann, Kurt Weill und Bertolt Brecht – ist die Geschichte des Heilsarmee-Mädchens Lilian Holiday im Gangstermilieu Chicagos. Für das Online-Format des Brechtfestivals performen Winnie Böwe (Gesang) und Felix Kroll (Akkordeon) das Stück als kompakte Show für Eilige: Die Storyline von Dorothy Lane aka Elisabeth Hauptmann wird im Zeitraffer nacherzählt, dafür gibt es alle Songs erstmals nur mit Akkordeonbegleitung.

Einfache Sprache ist eine Alternative zur Standardsprache, die Menschen mit eingeschränkter Lesefähigkeit mehr Teilhabe ermöglichen kann. Aber geht das auch mit Literatur? Es geht! Auf Anregung der Festivalleitung wurden erstmals Brecht-Texte vom darauf spezialisierten Passanten Verlag in Einfache Sprache übersetzt. Für das Festival liest Sophie Roisdaraus „Die unwürdige Greisin“, die Zeichnerin Katia Fouquet verwandelt dies in einen Trickfilm.

Auch Irina Rastorgueva und Thomas Martin arbeiten trickfilmisch. Sie stellen einen Ausschnitt aus ihrem Projekt „Haben Sie von Carola gehört?“ vor, in dem sie die Biographie der von Brecht bewunderten Schauspielerin Carola Neher animieren.

Man kennt sie vom Wiener Burgtheater, als Buhlschaft in Salzburg und vom Berliner Ensemble. Demnächst ist sie nicht nur im Dortmunder Tatort, sondern auch in der ersten Digitalausgabe des Brechtfestivals zu erleben: Die Schauspielerin Stefanie Reinsperger befasst sich unter dem Titel „Ich bin ein Dreck – Ein Film über Brecht oder das Leben oder die Liebe“ intensiv mit Texten von Bertolt Brecht, Margarete Steffin, Inge Müller und Helene Weigel. Regie führt Akin Isletme.

Die Lyrikerin Inge Müller ist der Mittelpunkt des Festivalbeitrags von Musikerin L-Twills. Das literarische Licht der außergewöhnlichen Dichterin steht nach wie vor im Schatten des Erfolgs ihres dritten Ehemanns, Heiner Müller. Zehn Jahre lang arbeiteten Inge und Heiner gemeinsam an Hörspielen und Theaterstücken, in denen sie den Aufbau des realen Sozialismus kritisch hinterfragten. Beide wurden 1959 mit dem Heinrich-Mann-Preis geehrt. Sieben Jahre später beendete Inge Müller ihr Leben. „Der Boden, auf dem sie ging, war zu dünn“, schrieb Christa Wolf über sie. Mit „Rhythm Imprint 04: Inge, raise us from the dead!“ kommt sie inmitten einer hybriden Klangarchitektur und umgeben von brüchigen Rhythmen erneut zu Wort.

Auch im Hörspiel-Programm des Festivals gibt es Texte von Inge Müller, Heiner Müller sowie Brecht zu hören. Der Bayerische Rundfunk sendet zudem auf Bayern 2 anlässlich des Brechtfestivals Archivaufnahmen und Neubearbeitungen von Brechttexten.

Yoko Ono, Brecht und Gott sind drei von vielen „Helden des 20. Jahrhunderts“ und Protagonisten in Suse WächtersPuppen-Ensemble, die für das Brechtfestival die besten Songs des Brecht-Universums aufleben lassen. Und zwar an unterschiedlichsten Orten in Berlin: zum Beispiel im Fußballstadion des FC Union Berlin, in der Getsemanekirche und im Kino Babylon. Eine dokumentarisch-poetische Reise durch die Hauptstadt, voller Musik, spielerischer Verfremdung und anarchischer Umdeutung.

Das Team von Bluespots Productions aus Augsburg taucht mit Brechts Gedichten im Kurzfilm „Heldin Nr. 0“ ab in die Welt der scheinbar stummen Antiheldinnen und gibt ihnen die Stimme, ihre ganz eigenen Geschichten zu erzählen. Das Theter Ensemble porträtiert in der Szenencollage „Ruth – eine Revolutionärin an der Theaterfront“ die

Künstlerin und Revolutionärin Ruth Berlau, mit all ihren Stärken und ihrer Schwäche für Bertolt Brecht.

Ben Hartmann und Johannes Aue, Schauspieler und Sänger der Rockband „Milliarden“, spüren in ihren Songs Widersprüchlichkeit und Sehnsüchten nach. Themen wie Lust, als natürlichste Sprache der Welt, Tod und Utopie ziehen sich auch durch ihre Diskographie. So landeten Hartmann und Aue mit ihrem Festivalbeitrag nicht zufällig bei Brechts pornographischen Sonetten – erotische Miniaturen, die er aus Langeweile und Lust während seiner sommerlichen Reisen von Berlin ins heimatliche Augsburg geschrieben hat.

Hanna Hilsdorf und die Band Goshawk loten mit „Scum“ per Musikvideo die Dimensionen der (Selbst-)Unterwerfung aus. Dabei spannen sie den Bogen von Brechts Mitarbeiterin Margarethe Steffin zu Valerie Solanas Guerilla-Feminismus.

Gemeinsam haben Bertolt Brecht und Helene Weigel Theatergeschichte geschrieben: Zwischen 1923 und 1956 waren sie füreinander Liebende, Eltern, Komplizen, Vertraute, Freunde, Ehepartner, Geschäftspartner und künstlerischer Widerpart. Ihr Briefwechsel aus dieser Zeit gibt intime Einblicke in eine besondere Paardynamik. In „ich lerne: gläser + tassen spülen“ spürt das Künstler-Ehepaar Charly Hübner und Lina Beckmann dem Erfolgsgeheimnis dieser Dynamik nach.

Frank Wolff ist als Cellist eine lebende Legende. Einer, der sich gut über Bertolt Brecht ärgern kann, aber auch immer wieder freundliche Töne für den Dichter findet. In „Tanz den Brecht“ fordert er ihn mit seinem Instrument heraus.

Die Regisseurin Caroline Kapp und die Dramaturgin Manon Haase (Absolventinnen der Otto Falckenberg Schule München) spinnen in ihrem epischen Autorinnenschaftskrimi „Broken Brecht“ den Mythos „der Frauen“ weiter, die Brecht zu Kultstatus verhalfen. Auch die zweite Kooperation mit der Otto Falckenberg Schule, „tanikō (cold love). Eine nō-Phantasie von Aloysia Boyd“ spielt mit Hypothesen. Hier treten in der Regie von Lennart Boyd SchürmannMarieluise Fleißers und Bertolt Brechts Schreiben in Dialog.

Musik, Poetry und Literatur

Für das Musikprogramm des Brechtnacht-Kurators Girisha Fernando schicken die Dakh Daughters ein Konzert-Video aus Kiew. 2017 war das Septett zum ersten Mal beim Brechtfestival in Augsburg zu sehen. Für die Online-Edition 2021 nehmen die Dakh Daughters das Publikum mit in ihr Dakh Theater, zu einer verheißungsvollen Verabredung mit Bertolt Brecht, Feminismus und politischem Songwriting.

Charlotte Brandi, Balbina und Banda Internationale feat. Bernadette La Hengst feiern Brecht mit Live-Musik in Augsburg – auch wenn sie dabei auf Live-Publikum verzichten müssen. Das Festival streamt Aufzeichnungen ihrer speziell entwickelten Programme vom Februar im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim). Für einen gemeinsamen Auftritt bei der Brechtnacht 2020 setzten sich Sängerin Bernadette La Hengst und Band auf Einladung des Festivals erstmals mit Brecht auseinander. Diese Begegnung führte inzwischen zur Produktion eines Albums („Banda, Bernadette & Brecht“/ Trikont), 2021 setzten sie für die digitale Ausgabe des Festivals diese Begegnung fort.

„Snapped“ ist ein Projekt von jungen Musikerinnen aus Augsburg und München, die eigens für das Brechtfestival zusammengefunden haben: Luisa Stapf, Malaika Lermer, Lotte Etschberger, Mona Sonntag, Julia Hornung und Bettina Maier performen in einem Video im Zusammenspiel mit Illustrationen von Marius Schölch eine Version des Songs „Snap“ von der norwegischen Komponistin und Saxophonistin Hanna Paulsberg.

„In wenigen Tagen wurde die Frau zum Mann, wie der Mann im Laufe der Jahrtausende zum Manne wurde.” (Bertolt Brecht). Inspiriert von diesem Zitat aus „Der Arbeitsplatz oder im Schweisse deines Angesichts sollst du kein Brot essen“ entwickeln die Slam-Poetinnen und -Poeten Tanasgol Sabbagh, Pauline Füg, Florian Stein und Henrik Szanto Texte, in denen sie Rollenbilder von Frauen in der heutigen Gesellschaft reflektieren und in der musikalischen Interaktion mit Steffi Sachsenmeier, Tom Jahn und Girisha Fernando vortragen.

Zeitgenössische Literatur ist mit Lesungen von Luise Meier, Paula Irmschler, Lea Streisand, Marion Brasch, Sabine Kebirund Annett Gröschner vertreten.

Kino: „Regeln am Band bei hoher Geschwindigkeit“

Erschreckend hellsichtig und dabei absurderweise selbst vom Lockdown zum Schweigen gebracht handelt der Film „Regeln am Band bei hoher Geschwindigkeit“ von Mechanismen, die kurz nach Erscheinen des Films die ganze Welt schmerzhaft zu spüren bekommt. Er setzt die Realität eines Schweineschlachtbetrieb mit zeitgleich stattfindenden Schultheaterproben zu Brechts Stück „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ von Bertolt Brecht in Beziehung. Verwoben mit den Gedankengängen der Jugendlichen und ihrer Auseinandersetzung mit dem Text in den Proben erzählt der Film in unterschiedlichen Fragmenten über Bedingungen und Facetten von Leiharbeit und

Arbeitsmigration in Deutschland. Der Dokumentarfilm von Yulia Lokshina wurde mit dem Max Ophüls Preis: Bester Dokumentarfilm 2020 und dem Megaherz Student Award beim DOK.fest München 2020 ausgezeichnet und für den Preis der deutschen Filmkritik nominiert.

Brechtfestival 2021 – #digitalbrecht: so funktioniert‘s

Die erste Online-Edition des Brechtfestivals präsentiert sich im Netz als Mischung aus Brecht-TV und Brecht-Mediathek. Auf www.brechtfestival.de sind vom 26. Februar bis 5. März jeden Abend bis zu vier Premieren zu erleben. Live-Gespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern geben Einblicke in das Making-of der Produktionen. Via Chat können die User selbst Teil des Live-Streams werden oder sich nach dem Programm im virtuellen Foyer treffen. Wer sich die tagesaktuellen Festivalbeiträge lieber in freier Reihenfolge ansehen will, hat dazu nach der Erstausstrahlung am jeweiligen Abend bis Mitternacht Gelegenheit. Alle Premieren im Live-Stream werden einmal im Festival wiederholt. Am zweiten Festivalwochenende stehen alle Produktionen unkommentiert in der Mediathek. Dann schlägt die Stunde all derjenigen, die bereits Gesehenes noch einmal sehen wollen, oder sich ihren persönlichen Brechtfestival-Marathon gestalten wollen.

Neben der Mediathek bietet das frei zugängliche Brechtfestival-Arbeitsjournal eine reichhaltige Fülle an Themen rund um Bertolt Brecht, das Festival und seine Künstlerinnen und Künstler. Dazu gibt es kostenlose Audio-Streams mit Hörspielen.

Virtueller Festivalpass: ein Code für alle Veranstaltungen

Um das Festival mitzuerleben, werden drei Dinge benötigt: ein Computer (wahlweise ein Smartphone, Tablet oder ein anderes streamingfähiges Gerät), eine stabile Internetverbindung und ein virtueller Festivalpass (12 Euro). Der Pass besteht aus einem personalisierten Code, der, einmal gelöst, Zugang zu allen Live-Streams und zur Mediathek bietet. Erhältlich ist er ab Mitte Februar online auf www.brechtfestival.de.

Brechtfestival-Kanäle:
Webseite: www.brechtfestival.de
Instagram: www.instagram.com/brechtfestival/
Facebook: www.facebook.com/brechtfestival/
Twitter: twitter.com/BrechtfestivalA
Telegram: t.me/brechtfestivalaugsburg

 

 

 

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