
Ismaele ist in Fenena verliebt, die ihn unter großem persönlichem Risiko befreit hatte. Abigaille offenbart allerdings Ismaele ihre Liebe - und der Konflikt ist vorprogrammiert. Die durchaus mit modernen Mitteln arbeitende Inszenierung von Stefano Poda unterstreicht außerdem die choreographischen Aspekte der Handlung in ausgeprägten Ballett- und Fechtszenen, die sich auf der gesamten Bühne mit großem rhythmischem Geschick ausbreiten. Zaccaria droht, Fenena zu töten, wenn Nabucco den heiligen Platz weiter missachtet. Ismaele schreitet ein und rettet sie vor dem Tod.
Im zweiten Akt "Der Frevler" eskaliert die Handlung weiter. Abigaille erfährt, dass sie nicht Nabuccos Erstgeborene, sondern die Tochter einer Sklavin ist. Jetzt will sie sich dafür an Fenena rächen! Die dramaturgische Spannung in Stefano Podas Konzept steigert sich nun gewaltig. Abigaille will ihre Rivalin töten, den Thron übernehmen und die Nachricht verbreiten, dass Fenena tot sei. In einem anderen Flügel des Palastes ergreift Nabucco die Krone und erklärt sich selbst zum Gott, Blitze schlagen als Rache des Himmels neben ihm ein. Hier stürzen in der Inszenierung von Stefano Poda die gewaltigen futuristischen Gerüste ein. Diese Szene gehört zu den stärksten Bildern dieser Inszenierung. Im Hintergrund sieht man in den Röhren sogar Feuer.
Später beklagen die Hebräer ihr Los im Gefangenenchor. Die Sängerinnen und Sänger erscheinen mit Zeituhren. Als seine Tochter Fenena zur Hinrichtung geführt werden soll, verlässt Nabucco der Wahnsinn. Zuvor sieht man das Volk und Nabucco in seltsamen Quadraten, die wie Gefängnisse oder Käfige aussehen. Schließlich zerbricht das Götzenbild - die Juden sind befreit. Abigaille erscheint mit einer weißen Glaskugel, die sie zuletzt fallen lässt. Sie vergiftet sich und bittet den Gott der Hebräer um Vergebung. Diese Schluss-Szenen hinterlassen in der Inszenierung eine stärkere visuelle Wirkung wie der eher spröde "Weltraum"-Beginn.
Musikalisch kann die Aufführung in hohem Maße überzeugen. Pinchas Steinberg leitet Chor und Orchester der Arena di Verona mit Verve, Wucht, Brio und Feuer. In der temperamentvollen Ouvertüre klingen deutlich die Hauptmomente der Oper an. Die Staccato-Attacken besitzen eine federnde Wucht! Vor allem die Chöre hinterlassen eine ausgezeichnete Wirkung. Auch die geschlossenen Szenenkomplexe kommen nicht zu kurz. Die enorme Glut der Tonsprache überträgt sich auf die Sängerinnen und Sänger - allen voran Anna Netrebko als hervorragende Abigaille, die ihrer Stimme einen großen Klangfarbenreichtum entlockt. So kann der Zauber der Belcanto-Arien sich immer wieder voll entfalten. Auch in der höchsten Piano-Region entwickelt der Gesang eine erstaunliche Ebenmäßigkeit - und in der Tiefe erweitern sich die Ausdrucksbereiche mit starker Kraft und ohne aufgesetztes Vibrato. Anna Netrebko vermag hier sowohl sehr tief als auch sehr hoch mit eruptiver dramatischer Kraft zu singen. Das zeigt sich vor allem bei der e-Moll-Todesarie der Abigaille, wo die dunkel-kreisende Cello-Melodie vorherrscht, während verklärende Flötendreiklänge den Dur-Teil beschreiben. Francesca Di Sauro kann als Fenena vor allem im Finale des zweiten Teils mit emotionalem Mezzosopran überzeugen, wo sie mit Hilfe einer markant herausgearbeiteten Quintfallsequenz zu schnellem Handeln aufruft. Auch Amartuvshin Enkhbat als Nabucco zeichnet mit voluminös-sonorem Bariton ein packendes Charakterporträt.
In weiteren Rollen fesseln noch Galeano Sala als Ismaele sowie Christian Van Horn als Zaccaria. Eindringlich gestaltet der umsichtig agierende Dirigent Pinchas Steinberg außerdem den zwölftaktigen Kanon der vier zentralen Solisten Nabucco, Abigaille, Ismaele und Fenena.
Riesenapplaus und "Bravo"-Rufe.


















