Obwohl Kriege seit 1989 wieder gebräuchliche Politikfortsetzungen sind, hat sich „der Krieg“ aus dem Zentrum unserer Aufmerksamkeit an die Ränder unseres Bewusstseins verschoben. Vom Rand her soll sich ihm genähert werden, mit drei Texten, die im, nach und vor dem Krieg spielen.
Anne Leppers Kurzstück Oh ist das Morrissey (2013) skizziert militärischen Alltag kurz nach der Mobilmachung – Ungediente bei der Konversion in Kriegstaugliche, zwischen Erlebnissehnsucht und Lagerkoller. Schlaglichter erhellen Absurditäten, groteske Gewalt, Banalität. Unschuld schlägt um in Kriegslüsternheit, zermürbendes Warten führt zu Kampfsehnsucht.
Ernst Tollers Der deutsche Hinkemann (1922) ist ein Heimkehrer-Drama: Hinkemann, im Krieg verstümmelt, versucht sich in einer Gesellschaft zurechtzufinden, die ihm und der er völlig fremd geworden ist. Die Brutalität des zivilen Existenzkampfes zwingt ihn zu Taten, die er glaubte, mit dem Krieg hinter sich gelassen zu haben, und an deren Menschenverachtung er zu zerbrechen droht.
Robert Walsers Jakob von Gunten (1909) lässt sich auch als Vorkriegsgeschichte lesen. Der Junge Jakob sieht in der bedingungslosen Unterordnung den einzigen angemessenen Ausdruck autonomer Freiheit. „Ich, ich werde etwas sehr Niedriges und Kleines sein. Die Empfindung, die mir das sagt, gleicht einer vollendeten, unantastbaren Tatsache. Mein Gott, und ich habe trotzdem so viel, so viel Mut zu leben? Was ist mit mir?“ Dienen scheint ihm die einzige vernünftige Existenzform.
Ist nicht gerade diese Haltung für die allgemeine Mobilmachung anfällig? So behauptet der gegenwärtige Verteidigungsminister über die Bundeswehr, Dienen sei der Kern ihres Selbstverständnisses, und versucht mit dem Slogan „Wir. Dienen. Deutschland.“ Nachwuchs für
gebräuchliche Politikfortsetzungen zu rekrutieren. Oh ist das Morrissey ist nach Käthe Hermann in der letzten Spielzeit das zweite Stück von Anne Lepper, das der Wuppertaler Regisseur Jakob Fedler für die Wuppertaler Bühnen inszeniert. Es entstand für den Stückemarkt des Berliner Theatertreffens 2013.
Inszenierung: Jakob Fedler
Bühne und Kostüme: Dorien Thomsen
Dramaturgie: Sven Kleine
Mit: Julia Wolff, Moritz Heidelbach, Jakob Walser, Marco Wohlwend
Die nächsten Vorstellungen sind am 26., 27., 28. und 29. Januar sowie am 13., 15., 16., 22., 24., 25., 27. und 28. Februar 2014 in der Börse (Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal).