Man kann alle Stücke Tschechows als EIN Stück begreifen, schon ihr Personal besteht aus Wiedergängern der immer selben Leute. Von den „Vaterlosen“, seinem ersten, bis zu seinem letzten Stück, dem „Kirschgarten“, liegt das Material vor uns. Überall offene Schlüsse, abgebrochene Fabeln, Ausschnitte aus dem Leben, etliche Geschichten ohne Resultat. Die Tschechowform ist vollkommen offen: Menschen, die auftauchen, sich wieder begegnen, trennen und sich wieder vereinigen, die sich umbringen und lieben. NICHTS IST ABSOLUT. Niemand, auch nicht der Autor, ordnet, regelt und wertet das, was diese Menschen tun.
KEINER WEISS MEHR. Scheinbar zufällig ist alles Wirklichkeit. Es wird heruntergespielt. Es wird nicht beantwortet, es wird nicht aufgelöst. Jeder Satz bei Tschechow spiegelt nur die besondere und eingeschränkte Perspektive der konkreten Person, die ihn spricht. So simpel es klingen mag, da ist eigentlich nur das interessant bei Tschechows Leuten, was sie selbst interessiert. Da weiß jeder immer nur so viel, wie er selbst wissen kann, niemals mehr.
Das ist natürlich oft komisch. Und an dieser Grenze spielt sich bei Tschechow vieles ab. Das ist auch Grund dafür, dass in seinen Stücken alle ständig reden wollen. Jeder formuliert sein Recht auf den eigenen Standpunkt. Ich bin – weil. Genauso widersprüchlich scheint am Ende das Ganze. In diesem ganzen, riesigen Tschechowstück, das vor uns liegt, fehlt alle Sicherheit. Es gibt nur die immer wiederkehrenden Leute, die Autoren des Tschechowdramas werden und die es schreiben, während sie es spielen. Das unser Drama wird, wenn sie es schreiben, während sie es spielen.
mit Rosalind Baffoe, Maximilian Brauer, Artemis Chalkidou, Manuel Harder, Thomas Lawinky, Paul Matzke, Ingolf Müller-Beck, Hagen Oechel, Peter René Lüdicke, Lore Richter, Holger Stockhaus, Birgit Unterweger
Regie: Sebastian Hartmann
Bühne: Susanne Münzner
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musik: Steve Binetti
Licht: Lothar Baumgarte
Dramaturgie: Uwe Bautz