Das Theater zeigt mit Drei Grotesken Werke der Avantgarde der Goldenen Zwanziger, die zu den produktivsten und vielfältigsten Kunstbewegungen der Geschichte gehören. Tanz- und Jazz-Musik, politische Themen und Zeitmode drängten zu jener Zeit auf die Bühne; auch und gerade im Tanz explodierten die Ausdrucksweisen und Formen dieser Gattung.
Der Österreicher Wilhelm Grosz (1894–1939) machte in den Zwanziger Jahren mit einigen kleinen Musiktheaterwerken auf sich aufmerksam. Neben dem Operneinakter Sganarell, der 1925 in Dessau herauskam, ist es vor allem die Zeitoper Achtung, Aufnahme! auf ein Libretto des Bartók-Librettisten Béla Balázs, die 1930 in Frankfurt Furore machte. Nach seiner Emigration 1934 nach England trat Grosz zunehmend als Schlagerkomponist hervor, sein Song Isle of Capri war der Sommerhit 1934. Kurz nach seiner Übersiedlung in die USA starb Grosz 45jährig in New York. Schon 1928 hatten Balázs und Grosz in Hannover das ›groteske Tanzspiel‹ Baby in der Bar herausgebracht, das die expressionistisch-erotischen Vorgänge aus Balász’ Szenarium mit charmanten Klängen einer sinfonisch veredelten Tanzkapelle und zeitgenössischen Jazz-Elementen verschmilzt. Es erlebt in Dessau seine erste Aufführung in diesem Jahrhundert.
Max Brand (1896–1980) schuf mit der ›ersten deutschen Fabrikoper‹ Maschinist Hopkins von 1929 als Synthese von Opernpathos, Geräuschmusik und Jazzklängen eine der Ikonen des Neuen Musiktheaters der 20er Jahre, sie wurde bis 1932 rund 200 mal aufgeführt. Seine zuvor erschienene, kleine experimentelle Tanzpantomime Tragödietta von 1927 versucht, aus der Jazz-Musik abstrakte musikalische und szenische Vorgänge herauszudestillieren. Von weiteren Aufführungen dieses Werkes nach der erfolgreichen Premiere in Duisburg ist nichts bekannt, die Partitur für elf Instrumente wird für das Anhaltische Theater neu eingerichtet.
Stefan Wolpe (1902–1972) zählt laut Wikipedia »zu den wichtigsten Stimmen musikalischer Innovation im 20. Jahrhundert«. Bekannt ist er heute vor allem für seine Kompositionen im amerikanischen Exil; sein Schaffen als Komponist der Avantgarde der 20er Jahre trat vor allem 2012 durch die Erstaufführung der Kabarett-Oper Zeus und Elida von 1926 in Gelsenkirchen wieder ins Bewusstein. Weills Mitschüler Wolpe, der zu den Mitgliedern der Berliner Novembergruppe gehörte, schrieb einige Musiken für das politische Kabarett. Zu ihnen gehören die drei Stücke, die er für »Teddy and his Band« und das 1928 um Erik Ode gebildete Berliner Kabarett ANTI komponierte und in denen das Antikriegsgedicht Stimmen aus dem Massengrab von Erich Kästner erklingt. Sie sind erstmals in einer Tanz-Aufführung auf einer Bühne zu erleben.
Drei Grotesken
Musikalische Leitung Elisa Gogou
Inszenierung und Choreografie Tomasz Kajdański
Dramaturgie Johannes Weigand, Raphaela Groh
Bühne Moritz Nitsche
Kostüme Judith Fischer
Mit Nicola Brockmann, Marin Delavaud, Nicole Luketić, Julio Miranda, Maria-Sara Richter, Daisuke Sogawa, Anna-Maria Tasarz, Vincent Tapia u.a.
Anhaltische Philharmonie Dessau
Weitere Vorstellungen:
Dienstag, 28.2.2017 — 20 Uhr
Sonntag, 5.3.2017 — 18 Uhr
Samstag, 25.3.2017 — 20 Uhr
Sonntag, 23.4.2017 — 18 Uhr