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ALEKO. EINE ZIGEUNERHOCHZEIT, Neuköllner Oper Berlin

Premiere am 25. Januar 2006,

Oper in einem Akt von Sergej Rachmaninow in einer Fassung von Bernhard Glocksin und Andreas Nathusius, Instrumentierung: Winfried Radeke.

Einer bricht auf, um Freiheit, Leidenschaft, das Andere zu leben. Und er scheitert vollständig, an sich. Die Geschichte von ALEKO hat es uns angetan. Er lässt die ganze „bürgerliche Scheiße“ hinter sich und geht zu den „Zigeunern“. Lebt dort mit Zemfira, erfüllt sich seinen Traum vom wilden, exotischen Leben. Und wird zum Mörder, als sie mit einem anderen schlafen will. Lange vor Houellebeques Elementarteilchen erzählt Puschkin vom Aufbruch eines jungen Intellektuellen in die Welt (den Traum) einer großen, wilden, freien Sexualität und antibürgerlichen, nomadisierenden Lebensweise – bis er Amok läuft, als sich diese Freiheit auch seine Geliebte nimmt, und das Objekt seiner Sehnsucht zum realen, eigensinnig/lichen Subjekt wird.

 

Uns fasziniert auch, welchen Schluss Rachmaninow und Puschkin dem Drama des Ausbruchs geben: die Versammlung der Zigeuner rächt den Mörder nicht. Sie verstößt ihn nur – Aleko ist fortan sich selbst und einzig seinem Gewissen ausgesetzt. Rachmaninow, 19 Jahre jung, schreibt in dieser ersten Oper dazu ein ergreifendes großes, quasi religiöses Finale. Was wird hier in feierlicher Prozession zu Grabe getragen? Wir haben die Russen Rachmaninow, Puschkin und ihren Aleko eingeladen, in unserer Neuköllner Oper ihr Werk und ihre Zigeunerfantasien auszuleben. So wird Aleko hier mit seiner Zemfira Hochzeit feiern und hat sich dafür eine „Zigeunerband“ gekauft. Wir waren zunächst ratlos – soll man so was? Darf man heute noch Zigeuner sagen? Ist das alles nicht vollkommen unmöglich, dieses Abfeiern der Klischees und der zügellosen Sucht nach Oper, Schmerz und Romantik?

 

Doch Aleko ist’s Wurscht, er hat das Geld (woher auch immer). Und wo Geld herrscht, ist ja leider alles möglich. Und jeder Traum käuflich, zumal in dieser Stadt. Aleko ist einer jener Typen, die es sich leisten können und nicht fragen müssen. Also lässt er in seinem Etablissement seine Rachmaninow-Lieblingsoper spielen und seine abgöttisch geliebte Sängerin die Zemfira singen. Aleko will seine Hochzeit und ihr leidenschaftliches, blutiges Ende nicht alleine feiern: Er lädt Sie ein. Kommen Sie und stoßen Sie mit ihm an. Auf das Leben, die Liebe, den Tod. Nastrovje!

 

Musikalische Ltg.: Winfried Radeke • Regie: Andreas Nathusius • Ausstattung: Günter Hellweg

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