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TIEFER HINTERSINN -- Belcea Quartet im Ordensaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

am 20.6.2025 LUDWIGSBURG

Die rumänische Violinistin Corina Belcea, der koreanisch-australische zweite Geiger Suyeon Kang, der polnische Bratschist Krzysztof Chorzelski und der französische Cellist Antoine Lederlin bilden das seit 1994 existierende Belcea Quartet.

 

Copyright: Maurice Haas

Im Ordenssaal musizierten sie zunächst das Streichquartett Nr. 20 D-Dur KV 499 "Hoffmeister-Quartett" von Wolfgang Amadeus Mozart. Assoziationen zu Mozarts Oper "Le Nozze di Figaro" ergaben sich bei dieser detaillierten Wiedergabe von selbst. Auch die "Prager Sinfonie" ließ grüßen. Das einzige Thema im Alla-breve-Allegretto des Kopfsatzes entwickelte sich hier sehr konsequent. Kontrapunktisch dichte Durchführungsansätze wurden konzentriert herausgearbeitet. Die Imitation zwischen der ersten Violine und dem Cello besaß einfühlsamen Charakter.  Die pendelnde Achtel-Figur führte sehr konsequent zur Coda. Ausdrucksfülle beherrschte das Menuett auch bei den dynamischen Kontrasten. Unruhige Triolen zeigten sich beim reizvoll gestalteten d-Moll-Trio. Höhepunkt war der langsame Satz in G-Dur, dessen satter Streicherklang die Zuhörer mehr als einmal betörte. Lange Melodiebögen besaßen beglückende Fülle. Der Sonatensatz mit intensiver Durchführung konnte sich überzeugend behaupten. Auch das Finale imponierte hier als strömend fließender, rasanter Sonatensatz. 

Das Streichquartett Nr. 3 op. 94 von Benjamin Britten wurde ebenfalls höchst elektrisierend dargeboten. Anklänge an Mozart wurden hier vom Belcea Quartet plastisch herausgearbeitet. Reminiszenzen an Brittens Oper "Der Tod in Venedig" nach Thomas Mann waren herauszuhören - auch die Einflüsse Schönbergs machten sich immer wieder bemerkbar. Insbesondere die Passacaglia als letzter Satz interpretierten die Musiker mit geradezu philosophischem Hintersinn. Differenzierte klangfarbliche Reize und leitthematische Verknüpfungen schufen starke atmosphärische Momente. Neben sinnlicher Erregung mit Pizzicato- und Tremolo-Effekten ergaben sich auch melodramatische Momente. Der Zauber der Passacaglia mit dem geheimnisvollen Namen "La Serenissima" behauptete sich insbesondere aufgrund des Pizzicato-Motivs der ersten Violine, das aus Aschenbachs innerem Monolog stammt.  

Den besten Eindruck hinterließ allerdings die Wiedergabe  des Streichquartetts Nr. 14 in cis-Moll op. 131 von Ludwig van Beethoven. Atmosphärische Reize kamen dabei klangtechnisch sehr plastisch zum Vorschein. Die Komposition wurde erst nach Beethovens Tod im Jahre 1827 gedruckt. Die sieben Sätze des Werkes gingen geheimnisvoll ineinander über. Gleich beim Beginn des Kopfsatzes überraschte das kontrapunktisch reiche Fugen-Prinzip, das sich fast herrisch durchsetzte. Einheitlich und geschlossen wirkte dieser Satz. Und die motivische Keimzelle in Gestalt zweier Halbtonschritte in Gegenrichtung entwickelte sich wie von selbst. Die Fuge durchlief hier tatsächlich grandiose Verarbeitungs- und Verwandlungskünste, die sich immer mehr verdichteten. Das Verweilen auf dem Cis-Dur-Dreiklang wirkte geradezu sphärenhaft. Der Oktavsprung führte dann einfühlsam zum zweiten Satz mit schwankender Dynamik. Sehr emotional und fast improvisierend erschien der dritte Satz mit seinem taktweise motivisch aneinandergereihten Thema. Insbesondere die Variationsveränderungen erreichten eine erstaunliche klangliche Dichte. So wandelte sich beispielsweise die melodische Linie zu einer aufsteigenden Dreiklangsbrechung im vierten Variationensatz. Die marschartige Begleitfigur mit ihrer zweistimmigen kanonischen Anlage besaß durchaus Charakterisierungsreichtum. Aufblitzende Staccato-Akkorde mündeten dann in eine geradezu befreit wirkende Coda mit kadenzartigen Passagen. Scherzo-Akzente besaß der fünfte Satz in der Wiedergabe des Belcea Quartets sehr deutlich. Hier gefiel wiederum die mit Pizzicato und am Steg ("sul ponticello") musizierte Coda. Das gis-Moll-Adagio beeindruckte das Publikum mit Melancholie. Überaus stürmisch spielte das Belcea Quartet das Finale mit seinen drei Einfällen. Das Unisono-Hauptthema, der anschließend atemlos-hetzende Sechsachtel-Rhythmus und der rhapsodische Tonleiterabgesang besaßen einen sehr starken Ausdruck. Und so war diese Interpretation ein hervorragendes Plädoyer für Beethovens späte Streichquartette. 

Begeisterung, "Bravo"-Rufe. 
 

 

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