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RHYTHMISCHER ZAUBER -- Stuttgarter Philharmoniker in der Liederhalle Stuttgart

am 22. Januar 2025

Die Reihe "Zwanziger Jahre II" wurde von den Stuttgarter Philharmonikern unter der inspirierenden Leitung des britischen Dirigenten Adam Hickox eindrucksvoll fortgesetzt. Bei der sinfonischen Dichtung "Tapiola" op. 112 von Jean Sibelius aus dem Jahre 1926 waren die Musiker voll in ihrem Element. Dem "Heim" des Tapio, der nach der finnischen Sage der Gott des Waldes ist, gilt diese Tondichtung, ihre eigentliche Hauptfigur ist also der Wald. Nächtlich schweigend, wird er hier bald vom Licht der Mittagssonne erhellt und lässt die verträumten Seen erkennen, die er schützend umfängt.

Copyright: Gregor Hohenberg, Portrait Rahaela Gromes

Diese sinnlich-raffinierten Klangfarbenspiele konnte man bei der gelungenen Interpretation der Stuttgarter Philharmoniker voll erkennen. Waldgeister rücken an und locken auch die göttlichen Bewohner von Tapiola zum Spiel herbei. Die aufgehende Sonne verscheucht den Nachtspuk und überglänzt die majestätische Weite des Waldes. Dass Sibelius hier eine leidenschaftliche Hymne auf die Landschaft seiner Heimat gesungen hat, machte diese beeindruckende Wiedergabe einmal mehr deutlich. Reich an Stimmungen und seltsam verschleiert in den Farben und Tremolo-Einlagen entstanden so herbe und dunkle Bilder von unheimlicher Größe.

Die hervorragende Cellistin Raphaela Gromes stand anschließend im Mittelpunkt des bekannten Konzerts für Violoncello und Orchester in a-Moll op. 129 von Robert Schumann. Der Dirigent Adam Hickox machte mit den Stuttgarter Philharmonikern die geheimnisvolle Verbindung zwischen den drei Sätzen eindringlich deutlich. Als echte Cello-Melodie erwies sich schon das Kopfthema des ersten Satzes, "nicht zu schnell". Danach erst brachte das Orchester das energische Hauptthema als wichtigstes Material des lyrisch betonten Satzes. Samtenes Dunkel hüllte aufgrund des einfühlsamen Spiels von Raphaela Gromes den "langsamen" zweiten Satz ein, dessen warme Melodie zu den schönsten Eingebungen Schumanns gehört. Er war bei dieser beispielhaften Interpretation ganz aus dem Charakter des Instruments empfunden. Konventioneller, aber keineswegs blasser wirkte zuletzt der "sehr lebhafte" letzte Satz, vielleicht, weil er den Gegensatz zur Lyrik der vorhergehenden Teile stark betonte.  An Technik und Intonation der Solistin werden vor allem in den hohen Lagen große Anforderungen gestellt, die Raphaela Gromes souverän meisterte. Das Wechselspiel von Solocello und Bläsern gelang hier besonders gut. Als Zugabe musizierte Raphaela Gromes mit den Philharmonikern noch ein reizvoll-mediterranes Stück von Pauline Viardot-Garcia.  

Das "Poeme" für Violoncello und Orchester aus dem Jahre 1923 von Henriette Bosmans (einer in Amsterdam geborenen Halbjüdin, die von den Nazis Berufsverbot erhielt) erwies sich bei diesem Konzert als besondere Rarität. Nach der dramatischen Einleitung des Orchesters folgte eine kurze Kadenz, die die Solistin Raphaela Gromes mit vibrierendem Leben erfüllte. Es folgten drei reizvoll musizierte Walzer - lyrisch, tänzerisch und lebhaft im Fünfvierteltakt. Manches erinnerte auch an spanische Weisen, denn die elektrisierenden Rhythmen ließen mediterranen Zauber erahnen. Leise und geheimnisvoll klang das Werk aus.

Zum Abschluss begeisterten die Stuttgarter Philharmoniker unter der temperamentvollen Leitung von Adam Hickox mit der hierzulande sehr selten zu hörenden Sinfonie Nr. 5 op. 50 des dänischen Komponisten Carl Nielsen, die in den Jahren 1920/1921 entstand. Dass Nielsen Romantiker war, konnte man hier trotz mancher Schroffheiten heraushören. Die Heimatmelodie stand immer im Mittelpunkt. Viele originelle Schattierungen entstanden bei den Tuttis mit großem Schlagwerkeinsatz, wobei die Polyrhythmik immer stärker hervortrat. Die collagenartige Form triumphierte bei dieser Interpretation deutlich. Das lebhafte Scherzo des zweiten Satzes riss die Zuhörer unmittelbar mit, entfaltete wildes Feuer und endete in einer optimistischen Es-Dur-Coda. Die Dissonanzen erwiesen sich immer wieder als reizvoll zwischen effektvollen Pizzicato-Passagen. Der Wechsel von F-Dur nach G-Dur und H-Dur nach G-Dur schuf weitere Klangfarbenmischungen, die die Ohren betörten.

Stürmischer Schlussapplaus!
 

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