Zu sehen sind Jiří Kyliáns Choreographie „No More Play“ aus dem Jahre 1988 als Schweizer Erstaufführung, die Uraufführung „Between the Clock and the Bed“ von Karole Armitage, und „Libera me“ der Stadttheater-Chefchoreographin Cathy Marston, ebenfalls als Uraufführung.
Jiří Kyliáns „No More Play“ für fünf Tänzer und Tänzerinnen zu Musik von Anton Webern und inspiriert durch eine Skulptur von Alberto Giacometti gilt bereits als Klassiker. Kylián zeichnet dabei nicht nur für die Choreographie, sondern auch für Bühne und Kostüme verantwortlich.
Die US-Amerikanerin Carole Armitage zeigt mit „Between the Clock and the Bed“ zu Musik von Leoš Janáček ein speziell für das Bern:Ballett kreiertes Stück. Auch Cathy Marston hat mit „Libera me“ zu Musik von Igor Stravinsky eine neue Choreographie geschrieben. Für beide Stücke hat Julia Hansen, die Leiterin der Ausstattung am Stadttheater Bern, Bühne und Kostüme geschaffen. Die Tänzer und Tänzerinnen werden vom Berner Symphonieorchester und vom Chor des Stadttheaters Bern unter der Leitung von Dorian Keilhack begleitet.
Die Premierenvorstellung vom 2. November bildet zugleich den Abschluss des Tanzfestivals „Tanz In. Bern“.
No More Play (Schweizer Erstaufführung)
Choreographie von Jiří Kylián zu Anton Weberns „Fünf Sätze für Streichquartett op. 5“
Besetzung 1st cast: Chien-Ming Chang, Paula Alonso, Ihsan
Rustem, Gary Marshall, Hui-Chen Tsai
2nd cast: Erick Guillard, Erion Kruja, Martina
Langmann, Emma Lewis, Denis Puzanov
Between the Clock and the Bed (Uraufführung)
Choreographie von Karole Armitage zu Leos Janaceks Suite für Streichorchester (1877)
Besetzung Chien-Ming Chang, Paula Alonso, Erick Guillard,
Erion Kruja, Martina Langmann, Emma Lewis, Gary
Marshall, Bruce McCormick, Denis Puzanov, Ihsan
Rustem, Izumi Shuto, Jenny Tattersall, Hui-Chen Tsai
Musikalische Leitung Dorian Keilhack
Berner Symphonieorchester
Libera me (Uraufführung)
Choreographie von Cathy Marston zu Igor Strawinskys „Requiem Canticles“
Besetzung Chien-Ming Chang, Paula Alonso, Erick Guillard,
Erion Kruja, Martina Langmann, Emma Lewis,
Denis Puzanov, Ihsan Rustem, Izumi Shuto.
2nd Cast/cover: Bruce McCormick, Gary Marshall,
Hui-Chen Tsai. Jenny Tattersall
Musikalische Leitung Dorian Keilhack
Chor des Stadttheaters Bern
Berner Symphonieorchester
Kylián / Armitage / Marston / Ballett (Schweizer Erstaufführung/Uraufführungen)
Sonntag, 2. November, 18.00 Uhr, Stadttheater
Die Stücke
No More Play
Choreographie Jiří Kylián
Bühne, Kostüme Jiří Kylián
Assistenz Jenny Tattersall
Einstudierung Patrick Delcroix
Kostümdesign Joke Visser
Lichtdesign Joop Caboort
Musik Anton Webern
Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 (1909)
Uraufführung Nederlands Dans Theater, Den Haag
24. November 1988
„Die Grundidee für diese Choreographie entstand durch eine kleine Skulptur von Alberto Giacometti: Ein einfaches, leicht deformiertes Spielfeld mit kleinen Kratern und Dellen und zwei Holzfiguren, die Menschen ähneln. Es wirkt, als wäre man zu einem Spiel eingeladen, bei dem die Regeln geheim gehalten werden oder aber nie festgelegt worden sind. Erst wenn man dieses mysteriöse Spiel zu spielen beginnt, erfasst man allmählich die ihm eigenen Gesetze – nur manchmal zu spät. Anton Weberns Musik vermittelt ein faszinierendes Gefühl von Wesentlichkeit und Unausweichlichkeit. Ihr Klang und ihre Struktur schaffen eine atemberaubende Transparenz und dynamische Spannung. All diese Qualitäten von Weberns kompromisslosem Genie stellen eine Energiequelle dar, die einen direkten Einfluss auf all das hat, was gleichzeitig auf der Bühne passiert. Die Ernsthaftigkeit von vielem, was wir uns vornehmen, endet oft in nicht viel mehr als einer grotesken Grimasse. Aber das sollte dann auch als eine solche akzeptiert werden und zu einem berechtigten Teil von uns werden. Dieses choreographische Spiel mit Körpern, Ideen, Ton und Licht in Zeit und Raum ist bloss eine Metapher für ein Spiel mit strengen Regeln, die irgend Jemand vor langer Zeit in einer längst vergessenen Sprache geschrieben hat.“
(Jiří Kylián)
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Between the Clock and the Bed
Choreographie Karole Armitage
Assistenz Bruce McCormick
Bühne, Kostüme Julia Hansen
Licht Jon Clarke
Musik Leoš Janáček
Suite für Streichorchester (1877)
Musikalische Leitung Dorian Keilhack
Berner Symphonieorchester
Dass Karole Armitage bei ihrer Zusammenarbeit mit den Tänzern des Bern:Ballett zu Musik von Janáček arbeiten konnte, empfindet sie als glückliches Zusammentreffen. Den reinen Streicherklang hält sie für Tanz besonders geeignet, da er intensiv ist, gleichzeitig aber den Tänzern und der Choreographie Raum lässt und sie nicht erdrückt.
Bei der Umsetzung in Tanz schwebte Karole Armitage eine Art Kalligraphie der Körper vor: Bewegungen wie mit Wasser gemalt, die nach einiger Zeit wieder verschwinden. Entstanden ist ein delikates Geflecht, bei dem es nicht um klare Positionen, sondern um das Dazwischen geht. Als würden die Tänzer improvisieren, transportieren sie die Gefühle des Moments.
Im Kosmos der Choreographin unterliegt alles einer ständigen Metamorphose, nichts ist von Dauer oder liesse sich festhalten. Von dem Widerstreit der Gefühle, dem Hin- und Hergerissensein angesichts der Vielseitigkeit der Lebenssituationen, den Freundschaften, die sich bilden sich und wieder auseinander gehen, ist alles, was am Ende bleibt, die Vergänglichkeit.
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Libera me
Choreographie Cathy Marston
Assistenz Jenny Tattersall
Bühne, Kostüme Julia Hansen
Licht Jon Clarke
Musik Igor Stravinsky
Credo für Chor a cappella (1932)
Ave Maria für Chor a cappella (1934)
Pater Noster für Chor a cappella (1926)
Requiem Canticles für Soli, Chor und Orchester (1966)
Musikalische Leitung Dorian Keilhack
Vesela Lepidu (Alt)
Ivaylo Ivanov (Bass)
Chor des Stadttheaters Bern
Berner Symphonieorchester
Wenn man ein Sinnbild für das Leben sucht: Wäre es die Heimat, in der man aufwächst und die einen in jeder Hinsicht ernährt? Die Gemeinschaft, die einem immer Sicherheit und Geborgenheit bietet? Oder sind es womöglich genau diese Bande, die verhindern, dass man zu neuen Ufern aufbricht und die einen gar der Luft zum Atmen berauben? Ist vertraut immer gut und muss fremd böse sein?
Manchmal sind es nur kurze Begegnungen, die unser Leben entscheidend beeinflussen und die den Blickwinkel auf Bisheriges völlig verändern. Vielleicht ist ja das Fremde überhaupt erst der Auslöser, der uns dazu inspiriert, Neues zu wagen, während die engste Umgebung womöglich todbringend ist? Wie in einer getanzten Parabel fordert Cathy Marston mit „Libera me“ dazu auf, genauer hinter die Oberfläche einer scheinbar klaren Geschichte zu blicken.