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KUNSTFERTIGKEIT UND GLANZ -- Beethoven/Bartok mit dem Amaryllis Quartett bei Berlin ClassicsKUNSTFERTIGKEIT UND GLANZ -- Beethoven/Bartok mit dem Amaryllis Quartett bei...KUNSTFERTIGKEIT UND...

KUNSTFERTIGKEIT UND GLANZ -- Beethoven/Bartok mit dem Amaryllis Quartett bei Berlin Classics

Januar 2025

Das Amaryllis Quartett feiert 20jähriges Bestehen und nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, sich ganz Beethoven zu widmen. In der vorliegenden Aufnahme treffen zwei Streichquartette von Beethoven auf Bartoks sechstes Streichquartett. Bela Bartok komponierte es in einer Zeit der persönlichen und politischen Katastrophen: der Beginn des Zweiten Weltkriegs, der Tod seiner Mutter im Dezember 1939 und seiner Emigration nach Amerika.

Copyright: Tobias Wirth

Das hört man dem Werk deutlich an. Die resignative Stimme signalisiert das Ende einer Epoche. Er kehrte hier zur viersätzigen  Form und zur Tonalität zurück. Intervalle und Dreiklangbildungen dominieren deutlich über Quartenharmonik und Quartenmelodik. Den ersten Vivace-Satz in Sonatensatzform musiziert das Amaryllis Quartett mit höchster Intensität. Dies zeigt sich nicht nur beim Einsatz der Bratsche. Diese Melodie leitet dann  auch den zweiten und dritten Satz Marcia und Burletta ein. Das Cello trägt sie ausdrucksstark im vierstimmigen Satz vor dem Marsch vor. Vor der Burletta spielt es die erste Violine im dreistimmigen Satz ebenfalls sehr expressiv und facettenreich.

Die überraschende Versöhnlichkeit von Ludwig van Beethovens letztem Streichquartett in F-Dur op. 135 kommt bei dieser bemerkenswerten Aufnahme in hervorragender Weise zum Vorschein. Die konzentrierte Knappheit kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ein einzelnes Motiv leitet in der Bratsche sehr bewegend den  ersten Sonatensatz ein. Die charakteristisch verzierte Tonfolge sticht nuanciert hervor - und auch die ständig atmende Punktierung wird präzis herausgearbeitet. Das triolenumspielte Dreiklangsthema ist ein schlichter Gegenpol. Und die Schlussgruppe greift das punktierte Sechzehntel-Motiv wieder erfrischend auf. Dieses kontrapunktisch geistvolle Spiel steigert sich immer wieder kontinuierlich. Im Scherzo wird der Staccato-Gedanke im Violoncello sehr deutlich markiert. Die kurze Coda mit der Synkope bleibt hier ebenfalls stark im Gedächtnis. Ergreifend wirkt dann der Variationensatz in Des-Dur. Beethovens Kunst des Veränderns tritt hier in grandioser Weise hervor. Schon die erste Variation steigert sich von Verhaltenheit zu Emphase. Die enharmonische Umdeutung von des-Moll nach cis-Moll zeigt Klangfarbenreichtum, es kommt zu stimmlicher Verdichtung und deklamierender Motivik in der ersten Violinstimme. Alles besitzt hier nuancenreiche Ausdruckskraft. Und das Finale imponiert schließlich als origineller Sonatensatz mit kontrapunktischen Raffinessen und einer reizvoll gestalteten Pizzicato-Coda.

Auch Beethovens Streichquartett in D-Dur op. 18/3 mit dem markanten Hauptthema im Sonatensatz besitzt hier formale Klarheit. Das zweite C-Dur-Thema sorgt für klangfarbliche Abwechslung. Und auch das Andante in B-Dur besitzt fließende Emphase, die das Amaryllis Quartett überzeugend betont. Im Allegro triumphiert neben dem Menuett- der Chaconne-Charakter über einem absteigenden Vier-Töne-Bass. Im Finale dominieren dann unbändiges Temperament und Virtuosität mitsamt kontrapunktischer Kunstfertigkeit.

Gustav Frielinghaus (Violine), Lena Sandoz (Violine), Mareike Hefti (Viola) und Yves Sandoz (Cello) bilden eine Gemeinschaft der emotionalen Tiefe.
 

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