Zum weit gefassten Begriff des Volkstheaters werden gleichermaßen geschichts- wie gegenwartsbewusste Zugänge geboten, die neue inhaltliche und ästhetischePositionen eröffnen. Mit der Uraufführung von Nanjing. The Future von Gornaya im Volx/Margareten, szenischen Skizzen, einem Hörspiel sowie begleitenden Gesprächen im Max Reinhardt Seminar wird die Suche nach den vielfältigen Möglichkeiten eines neuen Wiener Volkstheaters fortgesetzt. Wie finden Tradition und Gegenwart dieses Genres abseits gängiger Zuschreibungen zusammen? Nanjing. The Future von Gornaya im Volx/Margareten (Margaretenstraße 166, 1050 Wien)
www.volkstheater.at/stueck/nanjing-the-future
Szenische Skizzen und Hörspiel im Max Reinhardt Seminar (Penzinger Straße 9, 1140 Wien)
www.maxreinhardtseminar.at/festival-neues-wiener-volkstheater-1
Festivalprogramm
Uraufführung
Nanjing. The Future
von Gornaya
Regie Simon Dworaczek*
Ausstattung Dimitrij Muraschov
Sounddesign David Lipp
Dramaturgie Angela Heide
mit Anja Herden, Maria Lisa Huber*, Nils Rovira-Muñoz, Manuel Ossenkopf*, Jutta Schwarz und Günther Wiederschwinger
Mit Nanjing. The Future legt die Schweizer Autorin Gornaya ihr erstes abendfüllendes Theaterstück vor und führt mitten hinein in den aktuellen Diskurs über die Auswirkungen der Globalisierung. Von dieser werden auch die Mitarbeiter/innen der alteingesessenen mittelständischen Knopffirma Wiesner nicht verschont, unter ihnen die kleine, traditionsbewusste Familie von Hermann und Alhvit. Was einst aus Horn, Perlmutt und Steinnuss hergestellt wurde, soll nun aus Plastik und vor allem in China produziert werden. Dafür geht der junge Firmenchef Robert Wiesner über die Leichen jener Familien, die dem Unternehmen ein Leben lang die Treue gehalten hatten. Und Leichen sind es auch, die die Geschichte des neuen Produktionsstandortes Nanjing geprägt haben. Der erbitterte Kampf zwischen Tradition und "Global Village“ kann beginnen. Mittendrin: Lenni und Res, die Kinder der entzweiten Eltern und der gewalttätigen „Erzeuger“. Doch der „Familiendreck“ lässt sich nicht so einfach aus dem Fenster werfen wie der alte „Afghane“, und das bessre Leben lernen nur die wenigsten kennen, denn das „Leben ist kein Märchen“.
Gornaya, deren künstlerische Wurzeln in Riga liegen, ist in der Nähe von Basel aufgewachsen. Nach der Matura und einem Aufenthalt in Israel begann sie, Germanistik und Geschichte zu studieren. Mit 23 Jahren zog sie nach Düsseldorf, wo sie ihr Studium beendete und in Literaturwissenschaft promovierte. Bereits während des Studiums widmete sich Gornaya dem eigenen literarischen Schreiben und verschiedenen künstlerischen Projekten, wozu insbesondere szenische Lesungen gehörten. Ihr Interesse galt schon früh nicht nur der Zusammenarbeit mit anderen Autor/innen, sondern auch spartenübergreifenden Arbeiten. Das jüngste Projekt, eine musikalisch-literarische Soirée über den Schweizer Komponisten Friedrich Theodor Fröhlich wird im März 2017 am Konzert Theater Bern uraufgeführt. Seit 2005 lebt die Autorin in Bern und wahlweise in Wien. Zurzeit ist Gornaya als Hausautorin am Konzert Theater Bern engagiert und schreibt in dieser Funktion an einem neuen Stück, das in der Spielzeit 2017/18 zur Uraufführung kommen wird. Dort sind auch aphoristische Texte zum Thema Heimat entstanden, die in einer Jazz-Liederabendreihe inszeniert worden sind.
Der Regisseur Simon Dworaczek wurde 1993 in Altenhundem (Deutschland) geboren. Bereits im Alter von 13 Jahren gründete er eine Theatergruppe, mit der er erste eigene Arbeiten, darunter eine Inszenierung von Frank Wedekinds Skandalstück Frühlings Erwachen (2012), realisierte. Nach dem Abitur im Jahr 2013 begann er sein Studium am Max Reinhardt Seminar. Bereits während seines Studiums waren seine Inszenierungen an verschiedenen Theatern Wiens und im Rahmen des TACT – Theaterfestival in Triest zu sehen. In seiner letzten Arbeit, der Inszenierung seines Stückes Frei heraus! Ein Stotterstück beschäftigte er sich mit dem Phänomen des Stotterns. Nanjing. The
Future ist seine erste Arbeit am Volkstheater Wien.
Termine Öffentliche Voraufführung 10.3.; Premiere 11.3.; weitere Vorstellungen 14., 16., 18.3., jeweils 20 Uhr, Volx/Margareten
Szenische Skizze
Kalami Beach
von Akin E.Şipal
Regie Maria Sendlhofer*
Dramaturgie Mona Schwitzer
mit Philipp Auer* und Alina Ilonka Hagenschulte*
Auf der griechischen Insel Korfu, am Rande Europas, treffen auf schicksalhafte Weise zwei junge Menschen aufeinander und zelebrieren gemeinsam den Untergang: Ayda ist Türkin, Ernst ist Deutscher. Nach einem Selbstmordversuch fischt er sie aus dem Meer, und die beiden beginnen eine halbherzige Affäre mit Folgen. Die vermeintlich unfruchtbare Ayda wird schwanger, und das Zufallspaar sieht sich mit Fragen zu einer möglichen gemeinsamen Zukunft, einer brüchigen biografischen Vergangenheit und der eigenen Identität in einem erschöpften Europa konfrontiert. Akin E.Şipals im Herbst 2016 in Mannheim uraufgeführtes Stück Kalami Beach wird im Zuge einer dreimaligen deutschsprachigen szenischen Lesung im Rahmen des Festivals Neues Wiener Volkstheater zum ersten Mal in Österreich präsentiert.
Akin E. Şipal, 1991 in Essen geboren, studiert Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Für sein erstes Theaterstück Vor Wien
gewann er den bundesweiten Wettbewerb »In Zukunft«, für Santa Monica erhielt er den Förderpreis Literatur der Kulturbehörde Hamburg. Şipal ist als Drehbuchautor an diversen Kurz- und Langfilmen beteiligt, die auf Festivals wie Festival des Films du Monde de Montréal (Prix du Jury für The Bicycle), Internationale Hofer Filmtage, Internationales Kurzfilmfestival Hamburg oder Dok Leipzig zu sehen sind. Şipals Essayfilm Baba Evi hatte 2016 auf der Dokfilmwoche Hamburg Premiere. Sein drittes Theaterstück, Kalami Beach, ist ein Auftragswerk für das Nationaltheater Mannheim und wurde dort zur Eröffnung der Spielzeit 2016/17 uraufgeführt. Am Theater Bremen entstand 2015 in
Zusammenarbeit mit der Regisseurin Selen Kara und dem Musiker Torsten Kindermann Istanbul, ein Liederabend über Sezen Aksu. In der Spielzeit 2016/17 ist Şipal Hausautor am Nationaltheater Mannheim.
Die Salzburgerin Maria Sendlhofer (geb. 1988) studiert im 3. Jahrgang Regie am Max Reinhardt Seminar, wo sie MEZ von Roland Schimmelpfennig inszenierte und die szenische Lesung Sonnenkinder. Sternenstaub. Letzte Televisionen. von Valerie Melichar einrichtete. Am Schauspielhaus Wien hat sie Lupe Velez von Anna Gschnitzer im Rahmen des Wettbewerbs für das Hans-Gratzer-Stipendium szenisch eingerichtet. Zuletzt war Ewald Palmetshofers helden als Vor-Diplominszenierung zu sehen.
Termine 9.3., 19 Uhr; 11.3., 18 Uhr; 12.3., 19.30 Uhr, Max Reinhardt Seminar, Lehrsaal 3
Szenische Skizze
papier.waren.pospischil
von Theodora Bauer
Regie Anna Marboe*
Dramaturgie Angela Heide
mit Marlene Hauser*, Lukas-Samuel Juranek*, Julian Waldner*, Doris Weiner und Eduard Wildner
Mit ihrem Roman Das Fell der Tante Meri legte Theodora Bauer 2014 ihr vielbesprochenes und hochgelobtes literarisches Debüt vor. Nun präsentiert sie mit papier.waren.pospischil ihr erstes Theaterstück und führt mitten hinein in die dunkle, skurrile und fröhlich-apokalyptische Wiener Seele, wenn sich ältliche Dealer und jugendliche Selbstmörder in den Verkaufsräumen einer heruntergekommenen Papierhandlung ein wildes und überraschungsreiches Stelldichein zwischen Kuverts und Kokosbusserl geben. papier.waren.pospischil wird beim Festival Neues Wiener Volkstheater bei einer Szenischen Skizze in der Regie der jungen Wiener Regisseurin Anna Marboe zum ersten Mal einer
breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.
Theodora Bauer, geboren 1990 in Wien, lebt in Wien und Burgenland. Sie studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Philosophie an der Universität Wien und nahm an Schreibwerkstätten der Jugendliteraturwerkstatt Graz und der schule für dichtung (sfd) in Wien teil. Theodora Bauer schreibt Prosa, Lyrik und dramatische Texte und absolvierte zahlreiche Lesungen bei Poetry Slams und für Lesebühnen in Wien und im Burgenland.
Anna Marboe, geboren 1996 und aufgewachsen in Wien, hat am Wiener Schottengymnasium erste Schauspiel- und Regieerfahrungen gesammelt. Seit 2015 studiert sie Regie am Max Reinhardt Seminar, wo sie als ihr erstes Regiepraktikum Das Missverständnis von Albert Camus inszenierte. Außerdem Arbeit an Minidramen und Szenen aus Floh im Ohr von Georges Feydeau. Im Herbst 2016 war sie die Regieassistentin bei Holle Münster am Volx/Margareten in der Uraufführung von Hose Fahrrad Frau.
Termine 9.3., 20.30 Uhr; 11.3., 16 Uhr; 12.3., 17.30 Uhr, Max Reinhardt Seminar, Brauner Saal
Szenische Skizze
Vineta
von Jura Soyfer
Regie Hans-Christian Hasselmann*
Bühne Dominik Freynschlag
Dramaturgie Peter Roessler
mit Jeanne-Marie Bertram*, Evi Kehrstephan, Christoph Florian Kohlbacher*, Noah Perktold*, Emilia Rupperti*, Jan Thümer, Lukas Watzl und Liliane Zillner*
Der Matrose Jonny erzählt von seinen Erlebnissen bei einem Tauchgang – und wir folgen ihm dorthin: In Vineta, der versunkenen Stadt, tief unter dem Meeresspiegel, leben die Menschen, ohne zu leben. Es ist ein Ort der stillgestellten Zeit und der Erinnerungslosigkeit.
Jura Soyfer schrieb Vineta 1937 für die politische Wiener Kleinkunstbühne ABC. Die Aktualität des Stückes ist evident und doch neu zu entdecken. Jura Soyfer, geboren 1912 in der Ukraine, kam als Kind einer jüdisch-aristokratischen Familie, die 1921 emigrierte, nach Wien. Schon früh begann er, Sketche und Gedichte zu schreiben. Die Ereignisse des Jahres 1927 veranlassten ihn, sich den sozialdemokratischen Mittelschülern anzuschließen, 1929 bis 1933 schrieb er Texte für das sozialdemokratische Parteikabarett. Während er an der Universität Wien Germanistik und Geschichte studierte, war er ständiger Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung, in der er vor allem Gedichte veröffentlichte.
Nach den Februarereignissen 1934 schloss er sich den Kommunisten an, arbeitete aber auch an einem (unvollendet gebliebenen) Roman über die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (So starb eine Partei). Unter verschiedenen Pseudonymen schrieb er für die Wochenendbeilage des Wiener Tag. Zu dieser Zeit entstandene Theaterstücke wie Weltuntergang oder Astoria sind stilistisch zwischen Volksstück und Kabarett einzuordnen, Soyfer zählte zu den meistgespielten Autoren der damaligen Wiener Kleinkunstszene. Jura Soyfer starb 1939 im KZ Buchenwald an Typhus – seine Entlassungspapiere waren zum Zeitpunkt seines Todes bereits unterzeichnet.
Hans-Christian Hasselmann, 1992 in Dortmund geboren, absolvierte nach seiner Matura in der Schweiz Regiehospitanzen und -assistenzen an der Oper St. Gallen, dem Theater Basel und am Schauspielhaus Zürich, wo er zwei Jahre als Regieassistent u.a. mit Karin Henkel, Bastian Kraft, Daniela Löffner und Werner Düggelin zusammenarbeitete. Im Rahmen des „club diskret“ realisierte er mit SchauspielerInnen des Ensembles sein eigenes Format Stadtmagazin. Seit Oktober 2016 studiert er Regie am Max Reinhardt Seminar Wien.
Termine 10.3., 19 Uhr; 11.3., 16 Uhr; 12.3., 15.30 Uhr, Max Reinhardt Seminar, Neue Studiobühne
Szenische Skizze
Zwillingssterne
von Florence Read
Regie Simon Scharinger*
Dramaturgie Veronika Maurer
mit Emanuel Fellmer*, Enrique Fiß*, Felix Hafner, Corvin Hummer*, Philip Leonhard Kelz*, Laura Laufenberg*, Martin Schwanda und Anton
Widauer*
Zwei Männer am Meer beobachten, wie vor ihren Augen jemand ertrinkt. Eine Frau entscheidet am Krankenbett ihres Mannes, ihn zu verlassen. Ein Mann sucht seinen Klavierlehrer auf, der ihn einst missbraucht hat. In kurzen Szenen begegnen einander jeweils zwei Menschen. Die Alltäglichkeit ihres Aufeinandertreffens gibt schnell die Sicht frei auf ihre Obsessionen und Wünsche, auf ihr Sich-Verfehlen
und ihre menschlichen Abgründe. In Zwillingssterne (Twin Primes), ihrem beim Oxforder New Writing Festival 2015 mehrfach ausgezeichneten Debütstück, erforscht die junge britische Autorin Florence Read in einer Reihe unter die Haut gehender Begegnungen die Conditio humana unserer Tage. Zwillingssterne wird beim Festival Neues Wiener Volkstheater erstmals in deutscher Sprache vorgestellt.
Florence Read entdeckte als Teenager ihren Wunsch zu schreiben erstmals unter der Anweisung von Dramatiker Simon Stephens am Lyric Theatre in Hammersmith, wo sie auch ihr erstes Stück Buttons verfasste. Im Moment studiert Read englische Literatur an der Universität Oxford, wo sie die Möglichkeit hat, ihr Schreiben in Form und Stil weiterzuentwickeln. So wurde sie auch durch die Förderung der Oxford University Dramatic Society ermutigt, über das Studententheater hinaus eine professionelle Autorenschaft anzustreben. Sie ist Mitgründerin von Chiasmus Productions, deren Mitglieder sich für ein konfrontatives weibliches Theater einsetzen, das die starren ideologischen Traditionen der Universität in Frage stellt. Mit Twin Primes gewann sie beim Oxford New Writing Festival 2015 unter Jurorin Lucy Kirkwood den Preis für die beste Produktion und den besten Text. Ihre Stücke Twin Primes und Blow wurden am Edinburgh Fringe Festival 2015 mit großem Erfolg aufgeführt.
Simon Scharinger (geb. 1991), seit 2011 in Wien lebend und schaffend. Musikalischer Bestandteil der Gesangskapelle Hermann: Mundartlicher A-cappella-Gesang, die Licht- und Schattenseiten des Urösterreichischen aufarbeitend. Zudem auch literarische Gehversuche, mit Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften. Seit Oktober 2015 Studium der Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar. Dort realisierte er seine Regiepraktika Bruchstück I von Samuel Beckett und Die Kinder der Unhold das Land von Thomas Strittmatter.
Termine 10.3., 20.30 Uhr; 11.3., 18 Uhr; 12.3., 14 Uhr, Max Reinhardt Seminar, Lehrsaal 6
* Studierende/r am Max Reinhardt Seminar
Rahmenprogramm
Festival-Eröffnung
9. März, 18 Uhr, Max Reinhardt Seminar, Arena
Gespräche
Gornaya im Gespräch mit Anna Maria Krassnigg*
10.3., anschließend an die Voraufführung von Nanjing. The Future, Volx/Margareten
Gespräch über Vineta: Peter Roessler* mit Regisseur Hans-Christian Hasselmann u. a.
12.3., 16.30 Uhr, Max Reinhardt Seminar
Gespräch mit den Autorinnen Theodora Bauer und Natascha Gangl; Moderation: Angela Heide
12.3., 18.30 Uhr, Max Reinhardt Seminar
* Projektbetreuung: Max Reinhardt Seminar
Preise
Nanjing. The Future
Karten über Volkstheater Tageskassa und Abendkassa unter www.volkstheater.at/karten/ oder T (0)1 52111–400
Karten € 20, U-27 € 9
Szenische Skizzen
Karten über Max Reinhardt Seminar unter mrs@mdw.ac.at oder T (01) 711 55–2802
freie Spende