Eine historische Gestalt; der Kaiser, dem er untertan war, Maximilian, führte den Beinamen »Der letzte Ritter«. Eine Umbruchszeit also – ein bestimmter ge-sellschaftlicher Typus hatte ausgedient und nur die Wahl, sich den neuen Machtstrukturen, die sich heraus-bildeten, anzuschmiegen, also an den Hof eines der neuen Feudalherren zu gehen, oder zu versuchen, seine Unabhängigkeit gegen diese zu behaupten – ein Unterfangen, das zum Scheitern verurteilt war.
Goethe schildert beide Varianten und führt sie gegeneinander: in der Figur des Höflings Adalbert von Weislingen, der dem Erzbischof von Bamberg zu Diensten ist, und eben des Götz, des Ritters mit der eisernen Hand, dessen körperliche Beschädigung auf seine gesellschaftliche vorausweist. Beide einstmals Jugendfreunde, jetzt Antagonisten eines historischen Konflikts, der auf der persönlichen Ebene seine Entsprechung findet: hier der wankelmütige, nicht sehr charakterstarke Karrierist, der zum Spielball fremder Interessen wird – und scheitert; ihm gegenüber der geradlinige, ehrliche »Kraftkerl« Götz, der sich und »seinen« Kaiser ge-gen die Zumutungen der Moderne verteidigt und, als er sich zu schlechter Letzt auch noch auf die Seite der rebellierenden Bauern schlägt, zwischen sämtlichen Mühlrädern zermahlen wird und – sinnlos, aber ergreifend – stirbt.
Hier schließt sich der historische Fall mit den aktuellen Interessen des jungen Dichters Goethe kurz; was später in der literarischen Registratur unter »Sturm und Drang« abgeheftet wurde, hat hier seine vitale Quelle. Eine Heldengestalt, die sich fern der höfischen Regelmäßigkeit des Klassizismus wie eine Urgewalt ihre Bahn bricht und darin von der beim bewunderten Shake speare entliehenen Dramaturgie nicht gebremst wird. Was die Zeitgenossen als umstürzlerische Neuheit sofort wahrnahmen, veränderte sich unter der Last deutscher Geschichte zunehmend, denn im Zuge allmählicher reaktionärer Verfinsterung trat dem treuen, aufrechten, »deutschen« Götz zunehmend deutlicher die (art-)fremde, moderne, »westliche«, verweichlichte, intrigante Zivilisation gegenüber, eine Lesart, die nach 1945 dem Bühnengötz das Leben schwer machte. Heinrich George dampfte überall.
Und heute? Ein tschechischer Regisseur ist es, der mit dem Blick von außen auf deutsche Verhältnisse schaut und seine deutsche Trilogie – Kleists »Hermannsschlacht«, Schillers »Kabale und Liebe«, Büchners »Dantons Tod« – mittels eines Satyrspiels zur Tetralogie erweitert. Der taumelnde Held.
Regie und Bühne Dušan David Parizek
Kostüme Kamila Polívková
Dramaturgie Michael Propfe
Licht Annette Ter Meulen
Mit Ute Hannig, Lukas Holzhausen, Markus John, Janning Kahnert, Hedi Kriegeskotte, Julia Nachtmann, Michael Prelle, Aleksandar Radenković
Weitere Termine:
22.11.2010, 20:00 Uhr
27.11.2010, 20:00 Uhr
06.12.2010, 20:00 Uhr
16.12.2010, 20:00 Uhr
29.12.2010, 20:00 Uhr
05.01.2011, 20:00 Uhr
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