
Gleichzeitig blickt das Stück tief in die Seele zweier Menschen, die trotz ihrer Differenzen nach dem Verbindenden suchen und eröffnet so die Ahnung einer Möglichkeit, wie es vielleicht doch mit einem respektvollen Miteinander funktionieren könnte: durch das so einfache wie wirkungsvolle Mittel des Perspektivwechsels.
Zum Inhalt
Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Richard, ein ehemaliger Bauingenieur bei der Wasserwirtschaft, und Helen, seine Tochter, die als Anwältin für wenig Geld Sozialfälle in Rechtsstreitigkeiten vertritt. Richard hat sich vor den Herausforderungen einer sich verändernden Gesellschaft, deren Entwicklung er ablehnt, in eine teure, bewachte Wohnanlage zurückgezogen. Helen versucht ein Miteinander aller Kulturen und sozialen Schichten offensiv mitzugestalten. Richard hält ihren Idealismus für gefährlich und kann es nicht akzeptieren, dass seine Tochter einen Schwarzen geheiratet hat. Helen verachtet den Egoismus und die Überheblichkeit ihres Vaters, den sie für einen typischen Vertreter der wohlhabenden, ehemals einflussreichen, weißen Männer hält, die immer behaupten zu wissen, wie die Welt funktioniert. Er steht für alles, was sie ablehnt und umgekehrt. Beide haben wenig Kontakt.
Doch nun weiß Richard nicht mehr weiter. Er droht zu erblinden und bittet Helen um Hilfe. Aufgrund der vielen Streitereien mit ihrem Vater hat Helen eigentlich überhaupt keine Lust darauf. Als eines Tages während eines Besuchs von Helen bei ihrem Vater ein Alarm in der »Gated community« ausgelöst wird, schließen sich automatisch alle Rollläden. Vater und Tochter werden auf unbestimmte Zeit von der Außenwelt abgeschnitten. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als miteinander zu reden. Es ist die Zeit neuer Bekenntnisse und Erklärungen. Und so nach und nach entdecken sie im Austausch ihrer so unversöhnlichen Positionen auch ihr gemeinsames, sehr starkes Fundament wieder, das sie in früheren Jahren immer getragen hat.
Das Stück spielt in Südafrika vor dem Hintergrund des Ringens der südafrikanischen Gesellschaft um das Überwinden der Verletzungen durch die Apartheid. Aber die Geschichte könnte sich genauso gut in Deutschland zutragen, wo politische Konflikte gegenwärtig Risse in Familien und Freundschaften treiben und Debatten mit großer Härte ausgetragen werden, ohne die Argumente der anderen Seite überhaupt anzuhören, geschweige denn anzuerkennen.
Wie wollen wir zusammenleben?
Lot Vekemans neues Stück sprüht vor Kontroverse und Zärtlichkeit, und es zeigt den Alltag einer Beziehung, die menschlicher und tiefer kaum sein kann. Die Autorin selbst sagt: »›Blind‹ handelt für mich im Kern von der Frage, wie man zusammenleben soll, wenn man weit voneinander entfernt ist. Versucht man sich anzunähern, zu verstehen oder geht man sich so weit wie möglich aus dem Weg? Wie neugierig sind wir aufeinander? Ist man in der Lage, sich über die eigenen Überzeugungen hinwegzusetzen? Oder schließt man sich in seiner eigenen Blase ein, wo es sich angenehm leben lässt? Natürlich geht es dabei eigentlich um Angst. … In ›Blind‹ prallen zwei Weltbilder aufeinander. Zwei Welten, die sich nicht annähern wollen, es jedoch an einem bestimmten Punkt müssen. Was passiert, wenn man sich gegenseitig nicht mehr ausweichen kann, wenn alle tatsächlichen und bildlichen Zäune nicht mehr funktionieren?«
Das Theater Heilbronn bringt »Blind« kurz nach der Deutschsprachigen Erstaufführung am Residenztheater in München als zweites Theater in Deutschland heraus.
Die Autorin
Lot Vekemans ist die meistgespielte niederländische Dramatikerin im Ausland. Sie wurde 1965 in Oss geboren, studierte Sozialgeografie an der Universität in Utrecht und besuchte die Schrijversvakschool Amsterdam, wo sie Schauspiel und Sachliteratur studierte. Seit 1995 schreibt sie Theaterstücke, für die sie zahlreiche Preise erhielt, u. a. 2005 den Van Der Vies Preis für »Truckstop« und »Schwester von«, 2010 den Taalunie Toneelschrijftprijs für »Gift« und 2016 den Ludwig-Mühlheims-Theaterpreis für ihr gesamtes übersetztes deutsches Werk. Ihr Debütroman »Ein Brautkleid aus Warschau« wurde für den Anton-Wachter-Preis nominiert. Ihre Werke wurden in zweiundzwanzig Sprachen übersetzt und in mehr als fünfunddreißig Ländern aufgeführt. Lot Vekemans lebt in Nieuw Balinge, Niederlande.
Deutsch von Eva M. Pieper und Alexandra Schmiedebach
Regie Kay Neumann
Bühne Karin von Kries
Kostüme Manuel-Roy Schweikart
Licht Kevin Mast
Dramaturgie Dr. Mirjam Meuser
MIT
Sarah Finkel(Helen)
Stefan Eichberg(Richard)
Termine
Fr 10.01.2025 20:00 Uhr Ausverkauft
Do 16.01.2025 20:00 Uhr
Fr 31.01.2025 20:00 Uhr
Fr 07.02.2025 20:00 Uhr
Sa 15.02.2025 20:00 Uhr
Do 06.03.2025 20:00 Uhr
Sa 15.03.2025 20:00 Uhr
Do 08.05.2025 20:00 Uhr
Do 22.05.2025 20:00 Uhr