
Remarques Kriegsroman "Im Westen nichts Neues" erreichte innerhalb von achtzehn Monaten in fünfundzwanzig Sprachen die dreieinhalb Millionenauflage - und bis 1966 eine unglaubliche Gesamtauflage von 20 bis 30 Millionen Exemplaren in etwa 45 bis 50 Sprachen, was eine Sensation war. Wegen zahlreicher Piratenausgaben war die ganze Sache nicht kontrollierbar. Remarque war ein vom Journalismus geprägter "Direktschreiber" und verachtete "dichterische Spinnereien". Jahrelang erregte dieses Buch die Weltöffentlichkeit und verursachte nachhaltige politische Auseinandersetzungen, was auch in der Inszenierung thematisiert wird. Es kam zu Skandalen bei der Vorführung des gleichnamigen Films. Und auch bei der Inszenierung im Schauspielhaus spielen filmische Elemente eine wichtige Rolle. Die einen priesen das Werk als ein wahrhaftes Buch, während die anderen es ablehnten. Sie hielten dies für eine unzulässige Darstellung der "Zerstörung einer Generation durch den Krieg".
Gerade dies macht der Regisseur Dusan David Parizek aber überzeugend deutlich. Der Front-Jargon und die derb-volkstümlichen Schilderungen vom Leben und Sterben des neunzehnjährigen Paul Bäumer und seiner Kameraden fesseln die Zuschauer ungemein. So ist eine eindrucksvolle Anklage gegen den Krieg entstanden. Es handelt sich aber nicht um ein Bekenntnis. Die eindringlich spielenden Schauspieler Gabriela Micova, Antonie Rasilova, Lucie Roznetinska, Jan Barta, Stanislav Majer und Martin Pechlat machen diese Tragödie zwischen Rosen- und Minenfeld in erschütternder Weise lebendig. Immer wieder hört man Granateinschläge und Gewehrschüsse, die nicht enden wollen. Historische und tagesaktuelle Dimensionen werden so sehr geschickt miteinander verbunden. "Wie viele von uns sind eigentlich noch übrig?" lautet die rhetorische Frage.
Im zweiten Teil lassen die Protagonisten dann ihr Leid an einer Schauspielerin aus, die sie ermorden wollen. Alles ist rot von Blut, was in suggestiven Video-Sequenzen gezeigt wird. Man begleitet die Entstehungen eines Films - und am Filmset kommt es immer wieder zu dramatischen Situationen. Mediale Verzerrung überlagert oftmals die Darstellung. In Videoeinspielungen erzählt eine Frau von ihrer schrecklichen Vergewaltigung durch russische Soldaten. Diese Szenen prägen sich beim Zuschauer tief ein, man kann sie nicht vergessen. In der Pause zertrümmert ein Protagonist eine Bühnenattrappe. Man will den Krieg vergessen, gerät jedoch in neue Zerstörungswut. "Grüne Korridore" als weiteres Stück der Autorin Natalka Vorozhbyt werden dabei zu imaginären Fluchtpunkten: "Wir haben uns so viel zu sagen, können es aber nicht!" Dazwischen sieht man immer wieder ein Rosenfeld, das die namenlose Angst vor dem Krieg überlagert. Das Kriegs- und Krisenjahr 1918 schwebt wie eine dunkle Wolke über dem unruhigen Bühnengeschehen. Dazwischen ertönt unheimliches Wolfsgeheul. Der dramaturgische Spannungsbogen fällt nur selten ab, es gibt viel mehr szenische Stärken als Schwächen.
Starker Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe für dieses ungewöhnliche Gastspiel.