Dann erscheint auch noch leibhaftig die Elbe (facettenreich: Tim Bülow): "Such dir ein anderes Bett, wenn deins besetzt ist. Ich will dein armseliges bisschen Leben nicht. Du bist mir zu wenig." Und man erkennt "den Anderen" (überzeugend: Anke Schubert), der ihm von nun an nicht mehr von der Seite weichen wird. "Vielleicht bin ich auch ein Gespenst", denkt Beckmann bei sich. Dem schwerkranken Wolfgang Borchert ermöglichten Freunde einen Kuraufenthalt in der Schweiz, wo er in Basel einen Tag vor der Uraufführung seiner dramatischen Dichtung "Draußen vor der Tür" im Jahre 1947 starb.
Das Stück handelt von dem unglücklichen Heimkehrer aus sibirischer Gefangenschaft, von einem "aus der Reihe jener Männer, die nach Hause kommen und doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Ihr Zuhause ist dann draußen, nachts im Regen, auf der Straße. Das ist ihr Deutschland." Da sieht man auch den großen goldenen Reichsadler, der nach und nach verschiedene Protagonisten freigibt (Bühne und Kostüme: Valentina Pino Reyes). Da werden dann auch die Türen des seltsamen Reichsadlers geöffnet, die goldene Fäden mitsamt einer blonden Schönheit (Teresa Annina Korfmacher) glänzen lassen. Alles glitzert und funkelt - der Zuschauer befindet sich plötzlich in einer anderen Welt.
Die Elbe, in der er den Tod sucht, will Beckmann nicht. Seine Frau findet er in den Armen eines anderen. Als Gespenst kehrt der Mann zu der anderen heim, die ihn aufnimmt. Das sind groteske Szenen, die immer wieder grell überzeichnet werden. Sein Oberst (virtuos: Sebastian Röhrle), dem Beckmann die Verantwortung für gefallene Kameraden zurückgeben will, lacht ihn aus. Der Kabarettdirektor (auch Tim Bülow in einer Paraderolle) weist ihn brüsk ab, weil keiner die Wahrheit hören will. Die Eltern haben sich umgebracht. Selbst der eindrucksvolle Boris Burgstaller als Gott kann als alter Mann nicht helfen und jammert über seine abtrünnigen Menschenkinder.
"Wohin soll ich denn?" ruft Beckmann fragend. "Wovon soll ich leben? Mit wem? Für was?...Verraten sind wir auf dieser Welt, furchtbar verraten!" Diese bittere Klage zieht sich durch die gesamte Inszenierung, die durchaus mit farbenreichen Bildern aufwartet. Der Aufschrei einer ganzen Generation bleibt hier spürbar: "Träum ich? Sehe ich alles verzerrt durch diese elende Gasmaskenbrille? Sind alles Marionetten?" Lügen, falsches Pathos und fataler Heroismus werden in beissend-sarkastischer Weise karikiert: "Die Wahrheit hat doch mit der Kunst nichts zu tun!"
Beckmann will nur noch ins Wasser. Diese permanenten, verstörenden Selbstmordphantasien werden von revueartigen Szenen durchbrochen, bei denen die brillante Teresa Annina Korfmacher als Frau Kramer zu Live-Musik von Juri Kannheiser und Alexander Vicar glänzt. Die suggestive Choreografie von Kathrin Evelyn Merk passt hier auch dazu. Die israelische Regisseurin Sapir Heller wirft dabei den Blick der dritten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg auf den deutschen Nationalsozialismus und ihre Großelterngeneration.
Traumhafte Revue und surreale Reise stehen so dicht nebeneinander. Und ein goldener Panzerwagen schießt rote Konfetti, während die "Alten Kameraden" um den goldenen Reichsadler marschieren. Die Verantwortung der Deutschen aufgrund ihrer Vergangenheit steht im Zentrum dieser Inszenierung. Dazu gehört auch die Judenvernichtung, die thematisiert wird: "Verantwortung ist doch nicht nur ein Wort, eine chemische Formel, nach der helles Menschenfleisch in dunkle Erde verwandelt wird. Man kann doch Menschen nicht für ein leeres Wort sterben lassen..." Die Auffühung hat kaum szenische Schwächen und kann weitgehend überzeugen. Starker Schlussapplaus und "Bravo"-Rufe.