Zunächst waren "Impulse" der jungen koreanischen Komponistin Zoey Jaeyeon Jo zu hören, die seit 2020 an der Stuttgarter Musikhochschule bei Martin Schüttler studiert. Hier wird musikalisch ein Universum beschrieben, bei dem eine Sinfonie der Planeten erklingt. Räumliche Distanz und Nähe wechseln sich dabei in spannungsvollen Kontrasten ab. Die Unisono-Struktur mit Oktaven wird immer wieder fantasievoll aufgebrochen, was die Stuttgarter Philharmoniker unter Andrey Boreyko eindringlich beschworen.
Der hervorragende Pianist Alexander Malofeev, der in Moskau geboren wurde und mit 13 Jahren den ersten Preis beim berühmten Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb gewann, interpretierte anschließend das Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll op. 18 von Sergej Rachmaninoff. Hier begleiteten ihn die Stuttgarter Philharmoniker unter der Leitung von Andrey Boreyko höchst einfühlsam. So konnten sich die mächtigen Akkorde des Soloinstruments bestens entfalten. Das vom Violoncello geführte lyrische Seitenthema steigerte sich im Kopfsatz leidenschaftlich. Die beiden Themen, aus denen sich der erste Satz nach den wuchtigen Einleitungsakkorden des Klaviers entfaltete, konnten der speziellen Tonsprache Rachmaninoffs in eindringlicher Weise Gehör verschaffen. Im zweiten Satz Adagio sostenuto arbeitete Alexander Malofeev die lyrischen Reserven des zweiten Themas sehr bewegend heraus. Und die elegische Flötenmelodie ergab ein pianistisch ergiebiges Stimmungsbild. Der Hauptgedanke konnte daraus sehr bedeutungsvoll entwickelt werden. Das Finale Allegro scherzando war dann ganz von ungeheuren rhythmischen Energien und blendender pianistischer Pracht geprägt, die Alexander Malofeev am Flügel geradezu elektrisierend beschwor. Den tanzartigen Charakter dieses ungemein schwierigen Satzes meisterte er bravourös. Unter anderem spielte der vielversprechende junge Pianist noch eine sehr virtuose Rachmaninoff-Zugabe.
Zum Schluss überzeugte auch die dynamisch gut differenzierte Wiedergabe der Sinfonie Nr. 6 in h-Moll op. 74 "Pathetique" von Peter Tschaikowsky. Er dirigierte das Werk am 28. Oktober 1893 selbst - wenige Tage vor seinem Tod. Andrey Boreyko gelang es, trotz knapper Gesten das Ehrliche und Erschütternde dieser Musik mit den Stuttgarter Philharmonikern packend zum Ausdruck zu bringen. Düster und suchend begann der von leidenschaftlichem Gefühl getragene erste Satz mit einer Klage des Fagotts, aus der sich das ernste, drängende Thema des Allegro non troppo bildete. Die Zerrissenheit Tschaikowskys trat hier deutlich hervor. Energie zwang die Melodien trotz der abwärtsgerichteten düsteren Stimmung nach oben, was Boreyko gut betonte. Gequält und aufbegehrend klang dabei die aufwühlende Harmonik. Boreyko vermied es aber klug, die Themen und Motive ausufern zu lassen. Alles war genau durchdacht, und es wurde akribisch und konzentriert musiziert. Das erste Thema setzte sich robust in der Durchführung durch - und die Reprise enthüllte nochmals den Charakter eines Unglücklichen zwischen Fluch und Seligkeit. Als Coda erschien zuletzt ein ergreifender Choral der Posaunen. Beim Allegro con grazia des zweiten Satzes begegnete man dann fast einem graziösen Walzer, wobei Andrey Boreyko mit den Stuttgarter Philharmonikern Sentimentalität vermied. Mit seinem seltsamen Fünfer-Rhythmus wirkte dieser Satz hier aber keineswegs so friedlich und heiter, wie es zunächst den Anschein hatte. Geheimnisvoll begann der dritte Satz Allegro molto vivace mit seinem elektrisierenden Marschthema, das sich bei dieser forschen Interpretation dynamisch immer bestimmter steigerte. So folgte zuletzt ein effektvoller Staccato-Triumph. Das leidenschaftlich musizierte Adagio lamentoso des Finales ließ die Tonfolgen der beiden Hauptthemen bewegend hinab in das Dunkel der Verzweiflung sinken. So geriet dieser Satz zum erschütternden Abgesang eines Musikerlebens.
Begeisterter Schlussapplaus. Intendant Christian Lorenz führte kenntnisreich durchs Programm. Die Wiedergabe von Tschaikowskys "Pathetique" war der verstorbenen Kollegin Maria Halder-Kohn (Violine) gewidmet.