The Zurich Chamber Singers sowie das Sonic.Art Saxophonquartett unter der inspirierenden Leitung von Christian Erny erzählen von dieser großen Spiritualität in eindringlichen klanglichen Bildern. Intensive Visionen göttlicher Offenbarungen zeigen eine weitgespannte Harmonik voller Intervallspannungen und sphärenhafter Passagen. Für die Kirche grenzte dies an Extremismus und Hexerei. Man dachte sogar an psychische Erkrankungen Kempes. Für sie war die Reise eine Reihe von Prüfungen Gottes. Mit Weinkrämpfen pilgerte sie durch Europa, spürte die Schmerzen Jesu Christi am eigenen Leib und wurde von feuerspeienden Dämonen geplagt.
"The Booke" ist insofern ein herausforderndes historisches Dokument. Es thematisiert auch die Einschränkungen des Lebens als Frau und Alleinerziehende in England. Paul Mealors Komposition basiert auf Textausschnitten aus Kempes "Booke". Thematische Zusammenhänge stechen hier immer wieder eindringlich hervor. Die vierzehn Stationen des Kreuzwegs werden musikalisch facettenreich beschrieben. Die erste Station ist dabei formgebend für das gesamte Werk. Es kehrt variiert zweimal wieder. Ein Cluster tibetanischer Klangschalen über einem lamentoartigen Einsatz der Saxophone sticht hervor. In den folgenden Sätzen wird Kempes Glaubensuniversum anhand ihrer physischen Pilgerreise erkundet. Ihre Angst vor der menschlichen Verdammung ist dabei stets präsent. Aber ihr Verstand verbindet sich vollständig mit Gott, was die Klangwelt hier suggestiv ausdrückt. Im achten Satz findet die emotionale Marienverehrung ihren Höhepunkt: "Beneath the compassion we take refuge, o Mother of God". Hier erfährt sie auch die Schmerzen Jesu am Kreuz, was der Chor im durchsichtigen Klangbild in bewegender Weise auffängt.
Der Komponist Paul Mealor wollte Margery Kempe den Frieden gewähren, der ihr im wirklichen Leben verwehrt geblieben war. Wie in den Parallelsätzen I und IV bricht die Musik auf ihrem dynamischen Höhepunkt abrupt ab. Der Chor setzt hier wieder sehr direkt ein: "I take you, Kempe, for My wedded wife". Kempes überwältigendes Sehnen, sich mit Gott zu vermählen, tritt ein. Im Zeichen dieser wunderbaren Erlösung lässt Mealor einen festlichen Hochzeitsgesang erklingen. Die sphärenhafte Dreikönigs-Antiphon "Hodie caelesti" erklingt ungemein berührend. Zuletzt zeigt ein Alleluja-Gesang nochmals die erstaunlichen klanglichen Vorzüge dieses Werkes.