"Seine Kompositionen sind voller musikalischer Rätsel, voller Geheimnisse und Tiefen", so Markus Poschner. Sein Blick auf die Dinge sei dabei allerdings ein ungewöhnlicher, geradezu radikaler. Das merkt man vor allem der außergewöhnlichen Einspielung von Bruckners unvollendet gebliebener neunter Sinfonie in d-Moll mit dem famos musizierenden Bruckner Orchester Linz deutlich an. Das urgewaltige, in schroffen Oktaven abstürzende Hauptthema entfaltet hier volle Wucht. Auch die milde Streichermelodie des zweiten Themas wirkt so ausgesprochen ergreifend. Erbarmungslos hart prallt in der Coda dann die Einleitungsfanfare gegen den Granitblock des Hauptthemas, leere Quinten recken sich fahl und gespenstisch empor.
Auch die beiden Fassungen der achten Sinfonie in c-moll aus den Jahren 1887 und 1890 zeigen hier ein bemerkenswertes Profil. Wieder musiziert das Bruckner Orchester Linz unter der energischen wie einfühlsamen Leitung von Markus Poschner wie aus einem Guss. In der ersten Fassung zeigt sich im ersten Satz noch triumphales C-dur, während in der düsteren zweiten Fassung sich Verzweiflung gegen den unerbittlichen Rhythmus des Hauptthemas aufbäumt. Entrückt klingt hier die resignierte Klage. Das majestäische Finale imponiert bei dieser Aufnahme vor allem in der zweiten Fassung von 1890, wo die verwegensten Künste des Kontrapunkts aufgeboten werden, um alle Energien der Finalthemen freizulegen. In der Siegeshymne der Coda werden die Hauptthemen aller vier Sätze zur letzten, machtvollsten Apotheose übereinandergetürmt. Das gelingt beeindruckend.
Sehr überzeugend glückt Markus Poschner ferner die Aufnahme der siebten Sinfonie in E-Dur mit dem ORF Radio-Sinfonieorchester Wien, wo die geheimnisvollen thematischen Verbindungen geradezu sphärenhaft freigelegt werden. Aus zart flimmerndem Licht schwingt sich das "Heldenthema" des Kopfsatzes in die Höhe. Sehr energiegeladen wirkt auch das Finale, wo insbesondere die dramatisch gestaltete Durchführung hervorragt.
Die Wiedergabe der sechsten Sinfonie in A-Dur mit dem Bruckner Orchester Linz fesselt wiederum aufgrund ihrer inneren Geschlossenheit. Das zeigt sich schon beim Kopfthema des "Majestoso", das unter leisem, hartnäckigem Klopfrhythmus der Violinen die Bässe anstimmen. Aus weichen Hornklängen und hellen Trompeteneinwürfen steigt dabei die Coda in die seraphische Lichtflut des erhaben musizierten Schlusses empor. Das etwas problematische Finale gerät bei Markus Poschner zu einer Art Ehrenrettung für dieses immer noch unterschätzte Werk, wo sich die stürmischen Fanfaren in geradezu beglückender Weise befreien. Das Geigenthema wird weit ausholend und prachtvoll dargeboten. Und in der Coda wirft die choralhafte Fanfare Lichtkaskaden über das Hauptthema des ersten Satzes, das hier in Posaunenpracht glanzvoll erstrahlt.
Ein Hörgenuss ist ferner die gut strukturierte Interpretation der fünften Sinfonie in B-Dur, deren fantastischer Charakter hier gut zur Geltung kommt. Aus der kosmischen Spannung im Kopfsatz reckt sich das signalhafte Motiv eindringlich hervor. Nach den kraftvoll mit Choralklängen antwortenden Bläsern ballen sich die ungeheuren Energien in einem machtvollen Orgelpunkt. Das Finale wirkt dann wirklich unvergleichlich, wo sich die Fuge mächtig aufbäumt. Als lyrisches Fugenzwischenspiel ist eine Melodie gebunden, die sehr schmiegsam gespielt wird. Der Zauber der abschließenden Doppelfuge zeigt die erstaunlichen spieltechnischen Möglichkeiten des ORF Radio-Sinfonieorchesters Wien einmal mehr, wo bei der letzten gewaltigen Steigerung das Orchester das erste Fugenthema nochmals beschwört und ein ungeheurer Blechbläser-Chor den majestätischen Choral darüber wölbt.
Nicht weniger bemerkenswert ist die Interpretation der vierten Sinfonie in Es-Dur, der so genannten "Romantischen" mit dem ORF Radio-Sinfonieorchester Wien, wo der zweiten Fassung von 1878/80 eindeutig der Vorzug zu geben ist. Es liegen von dieser Sinfonie ja sogar drei Fassungen vor. Das Erlebnis der Natur steht bei Markus Poschner eindeutig im Mittelpunkt. Wie aus grünem Schweigen taucht das Hornthema mit dem bezeichnenden Quint-Intervall im Kopfsatz auf. Im Bass schwillt das Gewoge zu wilder Urgewalt an. Das zweite Themen in den Bratschen mündet in eine neue Steigerung mit dem Schlussmotiv des ersten Themas. Unheimlich und geheimnisvoll zugleich ist das Finale, aus dessen Intervallen sich der Fünfer-Rhythmus mit der Triole in grandioser Weise behauptet. Als gläubige Dank-Hymne wächst die Coda zu leuchtender Gewissheit empor.
Auch die drei Fassungen der dritten "Wagner"Sinfonie in d-Moll imponieren mit heftiger Wucht. Man kann gar nicht verstehen, warum die Uraufführung so ein Fiasko war. Die zweite Sinfonie in c-Moll gefällt ebenfalls aufgrund formaler Klarheit - und dies insbesondere in der zweiten Fassung von 1877. Man hat diesem Werk zu Unrecht Formlosigkeit vorgeworfen.
Von den beiden Fassungen der ersten Sinfonie in c-Moll überzeugt die Fassung aus dem Jahre 1891 mehr. Bewegt und feurig begeistert erscheint vor allem das Spiel um den Oktavsprung im Finale, der schließlich in einem mächtigen Bläserchoral gipfelt.
Das Bruckner Orchester Linz interpretiert ebenso die d-Moll-Sinfonie "Die Nullte" und die "Studenten-Sinfonie" in f-Moll mit viel Sinn für die beginnende Reife Anton Bruckners. Es ist eine Gesamtaufnahme, die aufgrund ihrer Strahlkraft überwältigt und unbedingt zu empfehlen ist.