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«Salome» nach Oscar Wilde in einer Bearbeitung von Jarosław Murawski - Residenztheater München

Premiere 06. Februar 2025, 19.30, Cuvilliés-Theater

Die Tochter der Herodias, die für ihre Tanzkünste den Kopf von Johannes dem Täufer fordert, hat in der Bibel nicht einmal einen Namen. Erst in den folgenden Jahrhunderten wird sie zum Paradebeispiel der Femme fatale: In der Figur Salome verschmelzen Erotik und Exotik, Verführungskraft und Grausamkeit.

 

Um die Wende zum 20. Jahrhundert, einer Zeit, die weibliches Begehren als Thema entdeckt und gleichzeitig pathologisiert, spinnen viele Künstler den Mythos weiter: neben Oscar Wilde etwa Richard Strauss und Jules Massenet in der Oper, Gustave Flaubert und Stéphane Mallarmé in der Literatur, Lovis Corinth und Edvard Munch in der bildenden Kunst.

In Wildes Drama platzt Salome in eine Welt, in der Männer regieren, doch Herodes’ Legitimität als Herrscher in Galiläa scheint gleich von mehreren Seiten bedroht. Einerseits muss er mit den römischen Besatzern verhandeln, andererseits sorgt ihn Jochanaan, Prophet eines neuen Glaubens, der immer mehr Jünger um sich schart. Und doch erregen nicht politische oder religiöse Fragen die Gemüter am meisten, sondern die Schönheit Salomes, von der weder ihr Stiefvater noch sonst ein Mann am Hof den Blick zu wenden vermag – keiner außer Jochanaan, der die Prinzessin brüsk abweist und dafür mit seinem Leben bezahlt.

«Bei Wilde ist Salome kein passives Objekt von Herodes’ Begehren. Sie ist auch keine Verliererin, kein Opfer. Sie stellt ihren Stiefvater auf die Probe, mit dem Tanz der sieben Schleier provoziert sie ihn. Mit dem Propheten macht sie dasselbe. Sie kehrt die männlich konnotierten Verhaltensweisen um und verwischt die Grenzen zwischen den Geschlechtern. Aber am Schluss des Dramas stellt Wilde ihre Sexualität als ‹gestört› dar und das wollen wir infrage stellen. Wenn Salome den abgeschlagenen Kopf des Propheten küsst, ist das für uns keine Geste der Wildheit, sondern Ausdruck ihrer Freiheit, mit der sie ihre Familie, den Propheten und das Publikum konfrontiert. Darin besteht ihr Sieg: Sie ist diejenige, die Regeln und Themen setzt. Sie ist die wahre Prophetin.» Jarosław Murawski

aus dem Polnischen von Andreas Volk

Inszenierung Ewelina Marciniak
Bühne Mirek Kaczmarek
Kostüme Julia Kornacka
Musik Wacław Zimpel
Choreografie Mikołaj Karczewski
Licht Gerrit Jurda
Dramaturgie Jarosław Murawski,  Michael Billenkamp

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